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Der gepflegte Ruf

NEW BUSINESS - NR. 7, SEPTEMBER 2018
Kritik kann auch positive Auswirkungen haben. Besonders Jungunternehmen, aber auch etablierte Konzerne sind für Anregungen und Verbesserungsvorschläge ihrer Kunden dankbar. © Fotolia/Ayman

Imagepflege geht weit über das Löschen von negativen Kommentaren im Internet hinaus. Wie machtvoll Kritik und Bewertungen im Web sind und wie sich Unternehmen eine gute Onlinereputation zulegen können

Der Ruf eines Unternehmens ist für dessen wirtschaftlichen Fortbestand essenziell. Leidet der Ruf, leidet das Business. Das digitale Zeitalter beflügelt die Angriffe auf die Reputation ungemein – dank Social-Media-Kanälen, aber auch Bewertungsportalen im Internet war es noch nie einfacher, das Image eines Unternehmens – begründet oder auch nicht – ins schlechte Licht zu rücken. NEW BUSINESS klärt auf, wie Unternehmen mit kritischen Kommentaren bis hin zu Ruf- und Kreditschädigung umgehen können, wie sie sich vor gezielten Reputationsangriffen schützen können und wie professionelle Imagepflege im Netz funktioniert.

Die Macht des Social-Media-Kanals
Jedes Unternehmen, das über einen Social-Media-Kanal verfügt, weiß: Einer der bedeutenden Benefits ist die Kontaktaufnahme mit dem Kunden in Echtzeit. Es profitiert davon ungemein. Die Marke kann sich bestmöglich ihrer Zielgruppe präsentieren und die Kunden werden rasch über neue Produkte und Leistungen upgedatet. Die Plattformen dienen aber auch als Kommunikationsinstrumente, wenn es darum geht, Feedback über Produkte oder erbrachte Dienstleistungen einzuholen und Kunden Erfahrungswerte zugänglich zu machen, die ihnen Auswahlentscheidungen erleichtern.
Sei es Lob, Anregungen oder Kritik – das digitale Feedback des Kunden hat eine ungeheure Macht. Von ihm hängt ab, ob sich ein potenzieller Kunde für ein Unternehmen entscheidet. Lob und Likes zufriedener Kunden sehen Unternehmen natürlich gern. Denn das zeigt ihnen, dass die Marke, das Produkt, die Kampagne oder die Strategie gut ankommt und alles richtig gemacht wurde. Anders sieht es aus, wenn negative Kommentare und Kritik auf der Seite eines Unternehmens, in Internetforen oder auf Bewertungsportalen gepostet werden. Vereinzelte Negativ-Einträge verträgt das Online-Image möglicherweise. Nicht so, wenn sich kritische Kommentare ausbreiten und die Suchergebnisse zum Unternehmen von kritischen Einträgen dominiert werden.

Das Recht auf Löschung. Oder: Google vergisst nicht
Unter den Top-Ergebnissen in der Google-Suche zu erscheinen hat bekanntlich wirtschaftliche Vorteile. Selbst lange zurückliegende Ereignisse, Bewertungen oder Kommentare können als Eintrag auf der ersten Ergebnisseite einer Suchmaschine angezeigt werden – unabhängig davon, ob sie positiver oder negativer Natur sind. Gelesen werden sie von Partnern und Kunden, die sich im Internet informieren, ebenso aber auch von potenziellen Kandidaten im Bewerbungsprozess. Was sie lesen, prägt ihr Bild von dem Unternehmen.
Auch nachdem Beiträge im Internet gelöscht wurden, besteht die Möglichkeit, dass diese über Suchmaschinen weiterhin aufgefunden werden können. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes stellt Google ein Formular zur Verfügung, mit dem das Löschen von Suchergebnissen beantragt werden kann. Bis dem stattgegeben wird, kann jedoch eine Weile vergehen – so lange sind die Links online zu finden.

Kommentare einfach löschen?
Auf der eigenen Facebook oder Instagram-Seite dürfen Unternehmen Beiträge natürlich löschen, die ihnen nicht gefallen, und den Autor sogar blockieren, um weitere ungehobelte Postings zu verhindern. Wer rumpöbelt und gegen den guten Ton verstößt, muss damit rechnen. Allerdings: Das Löschen von Beiträgen mit negativen Inhalten gilt als heikel, da es für zusätzliche Stimmung auf den Portalen sorgt. Der betroffene Kunde ist nicht mehr nur über sein ursprüngliches Problem verärgert, sondern fühlt sich auch nicht ernst genommen. Diese Unzufriedenheit wird dann gerne auf anderen Plattformen verbreitet oder er nutzt sein eigenes Netzwerk, um seinen Unmut zu vervielfältigen – mit dem Löschen des Kommentars wird somit das Gegenteil erreicht. Die Folge: Die einzelne Kritik wird multipliziert – der idea­le Nährboden für einen Shitstorm. Dieses Phänomen wird als Streisand-Effekt bezeichnet. Anders verhält es sich, wenn der Beitrag über die freie Meinungsäußerung hinausgeht und/oder gegen das Gesetze verstößt – in diesem Fall muss er gelöscht ­werden.

Tatsache vs. Meinung
Meinungsfreiheit ist in Österreich ein wertvolles Gut und als Menschenrecht gesetzlich verankert. Das bedeutet, ein Kunde darf seine Meinung auch dann äußern, wenn die einem Unternehmen nicht gefällt. Unternehmen und Gewerbetreibende müssen gerechtfertigte negative Bewertungen im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit hinnehmen. Nicht jeder Kommentar mit negativem Inhalt ist also gleich eine Ruf- bzw. Kreditschädigung, die eine Anzeige rechtfertigt.
Die Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit liegen dort, wo die Rechte anderer und im konkreten Fall speziell deren Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Eine wichtige erste Unterscheidung ist die zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung. Die Regel lautet: Tatsachenbehauptungen lassen sich – im Gegensatz zu Meinungsäußerungen – beweisen. Wer falsche Tatsachen oder unrichtige Aussagen verbreitet, setzt sich im Ernstfall einem Haftungsrisiko aus – solche Kommentare können Unternehmen auf ihrer eigenen Social-Media-Seite richtigstellen oder gegen sie rechtliche Schritte einleiten. Befindet sich ein unwahrer, beleidigender oder kreditschädigender Beitrag auf einer Bewertungsplattform oder in einem Blog, so empfiehlt sich die direkte Kontaktaufnahme mit dem Betreiber der Website oder der Plattform. Kommentare, Beiträge und Bewertungen, die rassistisch, beleidigend, verleumderisch sind, müssen gelöscht werden.
Unwahre Tatsachenbehauptungen können zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche nach sich ziehen, aber auch strafrechtlich relevant sein. Das Strafrecht unterscheidet hier zwischen Beleidigung, übler Nachrede, Kreditschädigung und Verleumdung.

Astroturfing: Gezielter Angriff auf den Ruf
Ruf- bzw. Kreditschädigung, die nicht von unzufriedenen Kunden ausgeht, sondern als gezieltes Mittel der Konkurrenz eingesetzt wird, um einen Mitbewerber zu verunglimpfen, bedroht das Image eines Unternehmens. Ziel einer sogenannten Astroturfing-Kampagne ist es, eine Graswurzelbewegung vorzutäuschen. Die Meinungen in den Kommentaren, Beiträgen und Bewertungen sind vermeintlich einem öffentlichen, unabhängigen Interesse entsprungen. Ziel ist es, es so aussehen zu lassen, als wären tatsächliche Kunden mit Produkten, der Dienstleistung oder dem Service eines Unternehmens unzufrieden, in Wahrheit steckt die Konkurrenz dahinter. Dafür werden falsche Benutzerkonten erstellt, die Falschmeldungen auf der Internetseite bzw. den Social-Media-Kanälen eines Unternehmens hinterlassen und die sich aktiv an einer Rufschädigung und der Verbreitung der Falschmeldung beteiligen. Gegen solche Praktiken können Unternehmen juristisch vorgehen. Sind die Tatsachenbehauptungen falsch, müssen betreffende Kommentare, Beiträge und Bewertungen gelöscht werden.

Reputationsmanagement als Wirtschaftszweig
Wer sich nicht selbst um die Onlinereputation seines Unternehmens kümmern kann oder will, kann sie in professionelle Hände geben. Reputationsmanagement ist immerhin ein zeit- und arbeitsintensives Business. Auf Imagepflege spezialisierte Unternehmen feilen den Ruf sauber zurecht. Dabei wird neben dem Löschen von Beiträgen auch auf das Verdrängen von negativen Suchergebnissen gesetzt. Eine effektives Vorgehen, denn in der Regel werden in Suchmaschinen nur die ersten zehn Ergebnisse angeklickt. Reputationsmanager füllen die ersten Treffer daher aktiv mit positiver Berichterstattung bzw. verschieben bereits bestehende positive Inhalte nach vorn.
Dank Monitoring-Software behalten sie den digitalen Ruf des Kunden dauerhaft im Blick. Firewalls schlagen Alarm sobald es neue Negativ-Einträge zum Unternehmen gibt, der Reputationsmanager entscheidet über die Strategie – und poliert fleißig weiter. (MW)

INFO-BOX
Richtig reagieren: Die Dos and Don’ts bei negativen Kommentaren auf Social-Media-Plattformen
Bei aller Professionalität, die ein Unternehmen an den Tag legt: Negative Kommentare auf Social-Media-Kanälen kommen vor. Es gehört zum daily Business des Social-Media-Beauftragten, mit ihnen umgehen zu können und sich mit ehrlicher Kritik und schlechtem Feedback auseinander­zusetzen. Und dieses kann man sogar für sich nutzen. So reagieren Sie ­professionell:
• Kritik ernst nehmen und Ruhe bewahren: Was ist das Problem?
Wie kann dem Kunden geholfen werden? Welche Abteilung ist dafür verantwortlich? Ruhig, sachlich und kooperativ auf Kritik zu antworten ist der richtige Weg. 
• Ehrlich und zeitnah reagieren: Erst Tage später auf einen Kommentar zu ­antworten, signalisiert dem Kunden, dass er nicht ernst genommen wird. Bei einem Versprechen, dass man sich um das Anliegen kümmert, sollte das auch passieren. Gegebenenfalls den Kunden bitten, das Gespräch von der öffentlichen Plattform auf die Privatnachrichten zu verlegen, wo vertrauliche Details wie Kunden- oder Telefonnummern ausgetauscht werden können. 
• Individuell antworten: Durch standardisierte Floskeln und unpersönliche Phrasen wie „Lieber Kunde, ... mfG, Dein Facebook-Team“ fühlt sich kein Mensch verstanden. Besser ist es, den User mit Namen anzusprechen, sich für sein Feedback zu bedanken und auf sein Problem einzugehen. 
• Auf Kritik antworten anstatt rigoros löschen: Durch das Löschen von Kommentaren potenziert sich der Frust des Kunden umso mehr. Daher: Sofern es sich nicht um beleidigende, rassistische oder verleumderische Kommentare handelt, jedenfalls antworten. Vielleicht hat der Kunde Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung nicht verstanden – Ihre Antwort könnte damit sogar anderen Kunden helfen. 

INTERVIEW
Sicherheitsexperte und Reputationsmanager Markus Weidenauer, Geschäftsführer des deutschen Unternehmens SecCon Group, über digitale Angriffe auf den Ruf und wie sich Unternehmen schützen können.

Welchen Reputationsattacken sehen sich Unternehmen im Netz zunehmend ausgesetzt?
Genauso divers wie die digitalen Möglichkeiten im Allgemeinen, so unterschiedlich präsentieren sich auch die Bedrohungsszenarien, mit denen sich Firmen im digitalen Zeitalter konfrontiert finden. Denn auch die modernste Technik und beinahe jedes System kann zum Angriffsziel werden. Neben Datenklau und Industriespionage steht dabei auch vermehrt der Ruf von Unternehmen im Fokus. Angefangen bei negativen Kommentaren auf stark frequentierten Webseiten oder der Verbreitung von Fake News, nimmt Rufschädigung eines Unternehmens auch größere Ausmaße an: Sogenannte DDoS-Attacken, die den Unternehmensserver überlasten, und gesteuerte Astroturf-Kampagnen in sozialen Netzwerken, die schlechte Bewertungen durch eine vermeintliche Graswurzelbewegung vortäuschen, bilden dabei längst keine Seltenheit mehr.

Welche Maßnahmen sollten Unternehmen im Schadensfall ergreifen, um die negativen Auswirkungen einzudämmen?
Bereits im Vorfeld können Unternehmen einiges in puncto Sicherheit leisten: Krisenpotenziale ausfindig machen, ein Bedrohungsbild erstellen und entsprechende Schutzmaßnahmen konzipieren. Dazu gehören neben den klassischen Methoden wie Antivirenprogrammen und Firewalls auch spezielle Sicherheitssoftware-Programme, Verschlüsselungstechniken und individuell ausgearbeitete Konzepte. Besonders bei DDoS-Attacken, Trojanern und Viren gibt es jedoch immer wieder neue Muster und Bandbreiten. Hier setzt bereits das Reputationsmanagement an. Dabei darf auch der Faktor Mensch nicht außer Acht gelassen werden. Es gilt, das Personal in Awareness-Trainings zu sensibilisieren und bestimmte Verhaltensregeln, beispielsweise für den Umgang mit Passwörtern, aufzustellen. Tritt der Ernstfall trotz Präventionsmaßnahmen ein, greift ein entsprechend ausgearbeiteter Notfallplan. Dieser verschafft Klarheit über effiziente sowie strukturierte Handlungsweisen und gewährleistet auch in Ausnahmesituationen die Fortführung der Geschäfte. Dabei gibt es bestimmte Organisationsmerkmale zu beachten. Neben der Festlegung der Kommunikationskanäle und der Einrichtung eines Krisenstabes ist vor allem schnelles Handeln gefordert, um den möglichen Imageverlust so gering wie möglich zu halten. Denn besonders im Zusammenhang mit IT-Vorfällen geht es darum, Ursachen schnell zu ermitteln. Wer hier über keine eigenen Spezialisten im Bereich Unternehmenssicherheit und IT-Forensik verfügt, findet Hilfe bei externen Beratern der Sicherheitsbranche. Diese Experten geben nicht nur Maßnahmenempfehlungen, sondern untersuchen auch verdächtige Vorfälle durch genaue Erfassung, ­Sicherung, Analyse und Auswertung digitaler Spuren. Denn nur durch die umfassende Kenntnis der Sachlage
ist es möglich, die Täter zu ermitteln.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.seccon-group.de