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Die Vermessung des Menschen

NEW BUSINESS - NR. 4, MAI 2018
Elektronische Daten liefern wichtige Informationen für die Medizin der Gegenwart. © Fotolia/vege

Big Data und Künstliche Intelligenz verändern nicht nur industrielle Prozesse, sondern revolutionieren auch Medizin und Gesundheitswesen.

Die Digitalisierung stellt das Gesundheitswesen auf den Kopf, das steht außer Frage. Sie erlaubt es Ärzten, Krankenhäusern, Pflegepersonal, Pharmaunternehmen, aber auch Start-ups Gesundheit neu zu denken: Durch den beschleunigten Austausch und die Vernetzung von Patientendaten sind neue, innovative Therapieformen möglich. Natürlich birgt die Digitalisierung der Medizin auch Risiken – vor allem Cyberattacken bedrohen national ebenso wie international den Gesundheitsmarkt, der vom sensiblen Umgang mit Patientendaten abhängig ist. Der Umgang mit Daten wird in den kommenden Jahren den entscheidenden Unterschied machen: Nur Unternehmen der Gesundheitsbranche, die neue Technologien wie Big Data und künstliche Intelligenz verantwortungsvoll einsetzen, werden im Wettbewerb bestehen. Wenn dies passiert, können schwere Krankheiten wesentlich früher erkannt, Millionen von Menschen besser therapiert werden – und allein in Europa die prognostizierten Gesundheits- und Folgekosten binnen zehn Jahren um eine dreistellige Milliardensumme gesenkt werden. „Der Weg hin zum großflächigen Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Medizin ist schwierig, denn KI funktioniert nur auf Basis riesiger Datenbestände – und die müssen zunächst konsequent aufgebaut werden“, sagt Alexander Soukup, Senior Manager im Bereich Management-Consulting bei PwC Österreich. „Dennoch ist der potenzielle Nutzen von künstlicher Intelligenz so gewaltig, dass es sich ohne Zweifel lohnen wird, diesen Weg zu gehen.“
NEW BUSINESS hat sich umgeschaut, in welchen Feldern der Gesundheitsbranche schon heute digitale Meilensteine gesetzt werden konnten. (VM)


1. KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN DER RADIOLOGIE:
Digitale MRT-Technologie für schnellere Behandlung

Die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz und Big Data auf die Radiologie wurden am European Congress of Radiology (ECR) 2018 im Wiener Austria Center heiß diskutiert. Dies ist auf das dramatische Wachstum in diesem Bereich zurückzuführen, erkennbar an einer steigenden Zahl an veröffentlichten Studien und einer wachsenden Zahl von Forschern und Unternehmen, die sich mit künstlicher Intelligenz beschäftigen. Der Gesundheitstechnologie­anbieter Royal Philips zeigte auf dem Event etwa seine jüngste Errungenschaft: den Magnetresonanztomografen Philips’ Ingenia Elition 3.0T. Es ist die nächste Generation modernster 3.0T- Systeme, die einen schnelleren, intelligenteren und einfacheren Weg zur sicheren ­Diagnose bieten. Der größte Vorteil für Patienten: Durch die neuartige Beschleunigungs- und Sensortechnologie lässt sich die Untersuchungszeit um 50 Prozent verkürzen, ohne auf konsistente und qualitativ hochwertige Bilder verzichten zu müssen.

3D-Scans und künstliche Intelligenz
Das neue System wurde nicht nur unter Berücksichtigung von Patientengesichtspunkten in seiner Architektur verbessert, sondern nutzt auch neueste Technologien, die sich künstlicher Intelligenz bedienen. Eine dieser Technologien ist Compressed ­SENSE. Mit ihr lassen sich nicht nur die Sequenzen, sondern die gesamte Untersuchung beschleunigen. Auch die 2D- und 3D-Scans aller anatomischen Kontraste und Körperbereiche können beschleunigt werden. Um die Überwachung des Patienten während der Untersuchung zu verbessern, wurde zudem VitalEye entwickelt. Die Detektionstechnologie läuft im Hintergrund einer Untersuchung und prüft die Physiologie des Patienten – ohne zusätzliche Interaktionsschritte des medizinischen Personals. Neben der laufenden Überprüfung von Atmung und Atemmuster lässt sich beispielsweise auch das Auslösen von Atemtriggerung über Vital­Eye steuern.

Beruf des Radiologen wird sich verändern
Die aktuellen Top-Themen auf dem ECR 2018 waren durch die Bank Big Data, die Herausforderungen und Risiken im Umgang mit immer größeren Datenmengen und -variationen, künstliche Intelligenz und Radiomic. „Digitalisierung wird den Beruf des Radiologen grundlegend verändern, denn die Art und Weise, wie wir Diagnostik und Prognose im Krankenhaus durchführen werden, wird sich ändern“, erklärt Dr. Wiro Niessen, Professor für biomedizinische Bildanalyse am Medizinischen Zentrum der Erasmus-Universität. „Ich denke, dass es einen Trend hin zu diagnostischen Kompetenzzentren geben wird, in denen Daten, die jetzt von verschiedenen Abteilungen – etwa Radiologie, Pathologie und klinischen Labors – gesammelt und analysiert werden, gemeinsam von einer KI analysiert und unterstützt werden.“
Besonders wichtig sind Daten als Grundlage des maschinellen Lernens. Maschinelle Lernalgorithmen lernen nämlich, eine Krankheit, etwa ein Karzinom, anhand von Datensätzen zu erkennen, die Bilder von Karzinomen enthalten. Neben der Erkennung von Ano­malien können die Algorithmen des maschinellen Lernens lernen, deren Ausprägung zu messen, was den Radiologen hilft, Bilder schneller und präziser zu interpretieren. Zukünftig könnten Algorithmen sogar bildgebende Biomarker finden, die mit dem menschlichen Auge nicht mehr zu erkennen sind.


2. PERSONALISIERTE KREBSMEDIZIN:
Mittels Big Data zur individuellen Therapie

Auch die Onkologie steht vor einem Umbruch: Digitalisierung, umfassende Tumordiagnostik und der Einsatz von Big Data gehören aktuell zu den meistdiskutierten Themen. Jedes Jahr erkranken in Österreich etwa 39.000 Menschen neu an Krebs, die Möglichkeit einer Tumorerkrankung steht ganz oben auf der Liste der gesundheitlichen Zukunftsängste. Aber Krebs ist nicht gleich Krebs. Deswegen muss der jeweilige Tumor erst einmal unter die Lupe genommen werden, um herauszufinden, welche Therapiemöglichkeit die geeignete ist. Und hier hilft Big Data. Dr. Marlene Thomas, International Scientific Director für Personalisierte Medizin bei Roche in Basel, ist von den Vorteilen begeistert: „Die Digitalisierung wird nicht nur die Behandlung von Krebspatienten, sondern vor allem auch die Forschung revolutionieren. Wir bei Roche sind fest davon überzeugt, dass die sinnvolle Nutzung von Big Data die nächste Generation der personalisierten ­Medizin einläuten wird.“

Klinische Daten für zielgerichtete Therapien
In der Onkologie kommt Big Data bereits heute zum Einsatz, etwa bei Daten, die sich unter anderem aus neuen diagnostischen Verfahren, wie zum Beispiel der Gensequenzierung, ableiten. „Ein aktuelles Beispiel ist unser Service FoundationOne®. Dieser testet zunächst eine Tumorprobe auf über 300 Genmutationen, die für die Entstehung des Tumors relevant sein können. Im nächsten Schritt interpretieren hoch qualifizierte Bioinformatiker die gefundenen Genmutationen basierend auf der Erfahrung von mehr als 100.000 untersuchten Proben“, so Marlene Thomas. Sämtliche ermittelten genetischen Veränderungen werden auf der Basis des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Kenntnisstands und veröffentlichter klinischer Daten mit zielgerichteten Therapien und klinischen Studienprogrammen abgeglichen und in einem Report für den Arzt zusammengefasst. „Diese Informationen unterstützen den Arzt dabei, für seinen Patienten eine individuelle, sprich personalisierte Therapieentscheidung zu treffen“, erläutert die Expertin.
Diese zielgerichteten Therapien richten sich gegen jene spezifischen Eigenschaften des Tumors, die das Wachstum der Krebszellen fördern. Das verordnete Medikament wirkt also nur dann, wenn der Tumor genau die Eigenschaften hat, gegen die es wirkt, und ist daher nur für bestimmte Arten von Krebs geeignet. Im Gegensatz zur Chemotherapie, die zwischen den Zellen keinen Unterschied macht, richtet sich das zielgerichtete Medikament nur gegen die Krebszelle und verschont die gesunden Zellen.

Die Herausforderungen von Big Data
Die Menge digitaler Informationen wächst exponentiell – das ist einerseits gut, andererseits bringt diese Datenflut neue Herausforderungen mit sich. „Ziel muss es sein, die großen Mengen an unterschiedlichsten Daten zu verstehen und für die klinische Routine anwendbar zu machen, damit Patienten am Ende auch wirklich einen Mehrwert haben“, so Thomas. Der Bedarf an IT- und Bioinformatiklösungen ist hierbei nicht zu unterschätzen. Hinzu komme, dass die Rahmenbedingungen rund um den Datenschutz einen sicheren Umgang mit den Patientendaten gewährleisten müssen.
In Österreich ist übrigens das Tiroler Unternehmen Oncotyrol ein wichtiger Ansprechpartner für translationale Forschung in der personalisierten Krebsmedizin. Tirol verfügt hier über exzellente Grundlagenforschung und langjährige klinische Erfahrung in der ­Onkologie. 


3. SMARTE INSULINPUMPE:
Mehr Lebensqualität für Diabetiker

Mit einem Anteil von über acht Prozent Diabetikern an der Weltbevölkerung gilt die Zuckerkrankheit als eine globale Epidemie. Große Hoffnungen werden auf neue, vollautomatische Technologien gesetzt. ­Einen medizinischen Meilenstein stellt dabei die smarte ­Insulinpumpe dar, welche heuer beim in Wien stattfindenden Internationalen Diabeteskongress vorgestellt wurde.
Konkret handelt es sich bei dieser modernen Insulinpumpe um ein geschlossenes Regelsystem, das unter die Haut eingesetzt wird und vollautomatisch den Blutzuckerspiegel für drei Tage regelt und dann nachgefüllt werden kann. „Möglich ist dies durch eine Insulinpumpe, die per modernen Sensor permanent den Blutzucker misst und bei Bedarf die erforderliche Menge an Insulin zuführt. Damit verhelfen wir unseren Patienten zu einem völlig neuen Lebensgefühl“, erklärt Dr. Tadej Battelino, renommierter Mediziner von der Med-Uni in Ljubljana. „Diese geschlossenen Regelsysteme sind, nach jahrelangen klinischen Studien, nun seit Herbst in der USA im Einsatz. Ab Juni dieses Jahres sollten sie auch in Europa erstmals erhältlich sein“, freut sich Battelino. Im ersten Schritt bedeutet diese neue Technologie vor allem für Typ-1-Diabetiker, deren Blutzuckerwerte mit konventionellen Insulintherapien nur schwer in den Griff zu bekommen sind, einen enormen Fortschritt. Allein in Österreich sind 30.000 Menschen vom Typ-1-Diabetes betroffen. „Langfristig soll die moderne Insulinpumpe mit dem geschlossenen Regelsystem aber nicht nur für den Typ-1-Diabetes, sondern für alle Formen der Diabetes eingesetzt werden“, so der Kongresspräsident zuversichtlich.

Detaillierte Datenanalysen für das persönliche Insulinmanagement
Besonders stolz ist Battelino, dass auch die Verhandlungen mit den europäischen Krankenkassen auf Schiene sein dürften. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass die Institutionen, die für die europäische öffentliche Gesundheit verantwortlich sind, bald entsprechende Kostenübernahmen oder Rückvergütungen für den Einsatz dieser vollautomatischen Insulinpumpe anbieten werden“, erklärt Battelino.
Bereits jetzt sind neuartige, intelligente Überwachungs­assistenzsysteme im Einsatz, die sechs Monate lang durchgehend den Blutzuckerspiegel der Patienten messen und analysieren können. Diese automatischen Überwachungssysteme geben den Ärzten basierend auf detaillierten Datenanalysen und Algorithmen­prognosen konkrete Therapievorschläge für das Finetuning in der Indsulindosierung. Zukünftig sollen diese intelligenten Überwachungssysteme auch den Patienten direkt Unterstützung in ihrem persönlichen Insulinmanagement geben.


4. E-MEDIKATION:
Sicherheit durch digitale Information

Zwei Millionen Versicherte in Österreich nehmen regelmäßig fünf oder mehr Medikamente ein, die bis zu zehn Wechselwirkungen auslösen und in seltenen Fällen auch zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen können. Was helfen könnte, wäre die E-Medikation, deren Einführung in Österreich nun feststeht. „Diese ELGA-Anwendung wird bis September 2019 schrittweise in ganz Österreich eingeführt“, freut sich Alexander Biach, Vorsitzender des Verbandsvorstandes im Hauptverband. „Damit wissen die beteiligten Ärzte und Apotheker, welche anderen Medikamente verordnet wurden, und können dementsprechend rea­gieren.“ Pionierarbeit leisteten bereits die Vorarlberger Gebietskrankenkasse, die Vorarlberger Ärztekammer und die Apothekerkammer, die in ihrem Bundesland E-Medikation bereits seit Februar verwenden.

Österreichs Versorgung wird digital
„Die Einführung der E-Medikation ist ein wichtiger und innovativer Schritt in Richtung Digitalisierung der damit verbundenen Serviceleistungen für Patienten und Dienstleister im Gesundheitswesen. In kürzester Zeit konnte nun dieses Projekt, für das es bereits seit 2012 eine gesetzliche Grundlage und auch einen Auftrag gab, realisiert werden“, zeigt sich Bundesministerin Beate Hartinger-Klein erfreut.
Mit E-Medikation kann der behandelnde Arzt die E-Medikationsliste seines Patienten einsehen und neue Verordnungen auf unerwünschte Wechselwirkungen prüfen. Diese neuen Medikamente werden in E-Medikation gespeichert. Der Patient erhält dann ein Rezept mit einem Code, der in der Apotheke eingelesen wird und damit die Speicherung der Abgabe des Medikaments ohne zusätzlichen Erfassungsaufwand ermöglicht. Auch rezeptfreie Medikamente, die Wechselwirkungen auslösen können, werden in E-Medikation gespeichert. „Eine ganz wichtige Neuerung für Patienten ist dabei, dass sie dafür in der Apotheke ihre E-Card benötigen“, betont Volker Schörghofer, stellvertretender Generaldirektor im Hauptverband. „Mit dem ­Stecken der E-Card kann in der Apotheke die gesamte E-Medikationsliste eingesehen werden. Auch das Krankenhaus hat Zugriff auf diese Liste und damit eine Übersicht der eingenommenen Medikamente, was gerade für ältere Patienten ein großer Vorteil ist.“ In den nächsten Jahren soll auch der elektronische Kommunikationsservice eKOS (E-Zuweisung, E-Überweisung, E-Verordnung) ergänzt werden. Das E-Rezept und der E-Transportschein sind ebenfalls in Planung.


5. PFLEGE 4.0:
Digitale Assistenzsysteme auf dem Vormarsch

„Der demografische Wandel ist ein globales Problem. 30 Prozent der Personen über 65 Jahre stürzen einmal pro Jahr“, analysiert Rainer Planic den Status quo in Österreich. Planic ist Gründer und CEO der Firma cogvis, die einen intelligenten kontaktlosen Sturz­sensor für die Seniorenpflege entwickelt hat. „Abgesehen von dem hohen Gesundheitsrisiko bei sturzgefährdeten Personen entstehen für das Gesundheitssystem Kosten, die durch Assistenzsysteme wie fearless verhindert werden können“, zeigt der cogvis-Chef die Vorteile für die Allgemeinheit auf.

Altersgerechte Assistenzsysteme erleichtern Pflege
Durch den 3D-Sensor des fearless-Geräts werden laut Unternehmen künftig nicht nur Stürze erkannt, sondern sogar gänzlich verhindert. Die gute Nachricht: Ende Februar 2018 sicherte sich das junge Wiener IT-Unternehmen cogvis erste private Investitionen in Höhe von 700.000 Euro. Bereits seit 2017 ist cogvis auf die Entwicklung von AAL-Lösungen, sprich altersgerechte Assistenzsysteme, spezialisiert. Das Ziel des Unternehmens ist es, Produkte zu entwickeln, die sowohl das Leben älterer als auch pflegender Menschen maßgeblich erleichtern. Dazu wurde auf Basis von 3D-Sensorik jahrelang interdisziplinär geforscht und entwickelt. Mit fearless ist ein Produkt entstanden, das auf Basis eines hochkomplexen Algorithmus erkennt und auswertet, um den Sicherheitsbedürfnissen der älteren Generation gerecht zu werden. „Wir wollen Pflegeeinrichtungen die Angst vor vermeintlich komplexen Technologien nehmen und unseren Sturzsensor als tatsächlich lebenserleichternde sowie -verändernde Lösung vorstellen, die dennoch so einfach zu installieren ist wie eine Lampe“, erklärt Planic. In einem ersten Schritt wird das Produkt für heimische Pflege- und Altersheime angeboten, parallel dazu erfolgt die Weiterentwicklung für den Privatmarkt.

Tiroler Med-Tech-Start-up entwickelt digitales ­Monitoring fürs Krankenbett
Auch in Tirol macht man sich Gedanken über digitale Assistenzsysteme. CubileHealth, ein innovatives Med-Tech-Unternehmen aus Innsbruck, hat sich auf das Monitoring gesundheitsrelevanter Daten sowie die Sturz- und Dekubitusprophylaxe von Patienten spezialisiert. Es kann mit einer einzigartigen, patentierten Technologie Daten wie beispielsweise Atem- und Herzfrequenz berührungslos und unsichtbar direkt im Krankenbett erfassen und über medizinische Apps mobil zur Verfügung stellen. Generiert werden diese Daten über messbare Druckveränderungen auf einem speziellen Sensor­kissen. Das Produkt steht kurz vor der CE-Zertifizierung. Mithilfe des Seed-Investments will CubileHealth seine Lösung nun zügig auf den Markt bringe.


6.  SMARTE TEXTILIEN
Materialien überwachen Aktivitäten und liefern Feedback

Wissenschaftler des Deakin Institute for Frontier Materials (IFM) forschen mit Textilien, die Körperbewegungen überwachen und auf Basis der Daten hilfreiches Feedback geben sollen. Derartige Technologien lassen sich einsetzen, um Kompressionskleidung herzustellen oder Profisportler während eines Wettkampfs zu beobachten. Die so gewonnenen Informationen sind vor allem für eine physische Rehabilitation nützlich.

Einsatz bei Gelenken
Weitere Anwendungsgebiete der neuen Materialien sind auch Virtual und Augmented Reality. „Textilien zur Messung von körperlicher Belastung sind für die Entwicklung von Smart Devices für die Bereiche ­Gesundheit und Sport sowie die Softrobotik relevant. Diese tragbaren Gadgets können ein breites Bewegungsspektrum in elektrische Signale umwandeln. Dadurch werden die physischen Aktivitäten, die beispielsweise in das Fitness- und Gesundheitsmonitoring involviert sind, erfasst“, erklärt Shayan Seyedin vom IFM. Hier steigere sich die Effizienz des Workouts, der Verletzungsprävention und der Rehabilitation. Am sinnvollsten ist der Einsatz derartiger Materialien an Gelenken   wie den Knie-, Ellbogen- oder Fingergelenken. Diese haben einen großen Bewegungsumfang. Der Prototyp basiert auf leitfähigen, elastischen Fasern, die sich bei jeder Bewegung dehnen und wieder zusammenziehen. Da sich der Widerstand je nach Belastung verändert, wird diese Information mittels Funksender an einen Computer übermittelt. Dort werden die Daten erfasst, um dem Träger Feedback zu geben.

Für große Bewegungen
„Es gibt bereits Sensoren, die kleine Veränderungen und minimale Druckeinwirkung messen, aber das Material, das wir entwickelt haben, misst große Bewegungsradien sowie Belastungen von bis zu 200 Prozent“, schildert Seyedin. Ein weiterer Vorteil bestehe darin, dass die Textilien ohne sperrige oder invasive Zusätze auskommen. „Wir haben hier ein völlig neues Material präsentiert, das primär für Körper-Monitoring-Anwendungen gedacht ist“, heißt es.