Die Europäische Zentralbank hält an ihrer Geldpolitik fest © APA - Austria Presse Agentur

Die Europäische Zentralbank (EZB) will auf absehbare Zeit der pandemiegeschwächten Wirtschaft mit einer sehr expansiven Geldpolitik unter die Arme greifen. Dies geht aus dem geldpolitischen Ausblick hervor, den die Euro-Wächter um Notenbankchefin Christine Lagarde am Donnerstag neu formulierten. Die Anpassung des Ausblicks zu den Leitzinsen war notwendig geworden, nachdem sich die Euro-Wächter ein neues Inflationsziel gesetzt hatten. Die Leitzinsen bleiben bei 0,0 Prozent.

Die EZB strebt nun mittelfristig 2 Prozent Teuerung an. Bisher hatte das Ziel auf knapp unter zwei Prozent gelautet.

"Unsere Leitzinsen sind seit einiger Zeit nahe an ihrer Untergrenze und der mittelfristige Ausblick für die Inflation bleibt immer noch deutlich unter unserem Ziel", sagte Lagarde. Daher sei der geldpolitische Ausblick - in der Fachwelt "Forward Guidance" genannt - geändert worden. Das stieß allerdings bei mehreren Währungshütern auf Widerspruch. "Wir hatten keine Einstimmigkeit, aber wir hatten eine überwältigende Mehrheit zur Kalibrierung der Forward Guidance für die EZB-Leitzinsen", sagte Lagarde.

Die EZB will unter anderem nun ihre Leitzinsen solange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau halten, bis zu sehen ist, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und dann erst einmal so bleibt. Das könnte auch eine Übergangszeit von Inflationsraten moderat über zwei Prozent beinhalten. Die EZB betonte außerdem, sie sei bereit, alle Instrumente nötigenfalls anzupassen, um zu erreichen, dass sich die Inflation mittelfristig bei ihrem neuen Ziel stabilisiert.

Die Inflationsrate im Euroraum lag im Juni bei 1,9 Prozent. Für die nächsten Monate erwartet Lagarde einen Anstieg, der erst Anfang 2022 nachlassen wird. Die EZB erachtet den Preisanstieg aber als nicht nachhaltig. Für das Jahr 2023 erwartete sie zuletzt gerade einmal eine Rate von 1,4 Prozent. Damit läge das neue Zwei-Prozent-Ziel der EZB noch weit entfernt.

Die EZB beschloss auf ihrer Sitzung außerdem, die Leitzinsen auf ihren aktuellen rekordtiefen Niveaus zu belassen. Der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld bleibt damit weiterhin bei 0,0 Prozent. Auf diesem Niveau liegt er bereits seit März 2016. Auch am Einlagesatz von minus 0,5 Prozent rüttelte die EZB nicht. Banken müssen somit weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken.

Die Währungshüter teilten zudem mit, dass die Ankäufe im Rahmen ihres billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramms PEPP weiterhin deutlich umfangreicher ausfallen sollen als zu Jahresbeginn. Die EZB hatte das Tempo der Käufe im Frühjahr im Vergleich zum Jahresstart kräftig erhöht. Das Monatsvolumen der Käufe lag zuletzt bei 80 Milliarden Euro. PEPP sei für die Notfallphase der Krise gedacht, sagte Lagarde. "Wir sind noch in dieser Phase der Krise, deshalb wird PEPP immer noch fortgesetzt." Das im Frühjahr 2020 aufgelegte Programm, das Staatsanleihen, Firmenanleihen und andere Titel umfasst, wurde bereits zweimal aufgestockt. Es hat einen Gesamtrahmen von 1,85 Billionen Euro und die Käufe sollen noch bis Ende März 2022 fortgesetzt werden.

Lagarde betonte zwar, dass damit keine Niedrigzinspolitik für eine noch längere Zeit zementiert werde. Doch manche Volkswirte sehen das anders. ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann sieht darin eine deutliche Veränderung gegenüber der bisherigen Vorgehensweise. "In der heutigen Entscheidung des EZB-Rats zeigt sich, dass die veränderte geldpolitische Strategie nicht nur eine neue Rhetorik, sondern auch eine Veränderung in der Sache bringt", sagte er. Mit dem überarbeiteten zinspolitischen Ausblick immunisiere die EZB ihre Negativzinsen und die Anleihekäufe auf lange Zeit gegen einen überraschend starken Inflationsanstieg.

Auch Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe, rechnet damit, dass die Zeit der Ultratiefzinsen noch länger anhalten wird. "An eine Leitzinswende ist nicht nur noch lange nicht zu denken, sie ist zeitlich sogar noch gestreckt worden", ist er überzeugt. Aus Sicht von Michael Holstein, Experte der DZ Bank, will die EZB abwarten, bis die Inflationsentwicklung nachhaltig auf das neue Ziel hinweist. "Erst dann dürfte es neue geldpolitische Maßnahmen geben", sagte er.

Heftige Kritik kam von den deutschen Banken. Die EZB verlängere "die Belastungsprobe anhaltender Minuszinsen für Sparer und die Finanzwirtschaft", sagte Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Nunmehr dürften sich alle Hoffnungen auflösen, dass es schon 2023 oder 2024 zu einer Zinserhöhung kommen könne.