Vor allem im Gastgewerbe gibt es häufig sexuelle Übergriffe © APA - Austria Presse Agentur

Die Arbeiterkammer Wien und die Gewerkschaft vida haben in den letzten Jahren eine Häufung von Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz verzeichnet. Vor allem im Gastgewerbe werde übergriffiges Verhalten von Gästen oder auch dem Chef oft als Normalität wahrgenommen und abgetan. Um Belästigung besser vorzubeugen und Betroffenen die richtige Unterstützung anbieten zu können, soll nun gemeinsam mit der Wirtschaftskammer (WKÖ) ein Schutzkonzept ausgearbeitet werden.

"Wir merken, dass viele Betriebe bei einem Vorfall von sexueller Belästigung nicht so richtig wissen, wie sie darauf reagieren sollen", sagte Ludwig Dvořák, Leiter der arbeitsrechtlichen Beratung der AK Wien, am Freitag auf einer Pressekonferenz. Das liege zum Einen daran, dass Übergriffe "zum Teil tatsächlich als Normalität wahrgenommen werden", zum anderen seien Unternehmen oft nicht ausreichend auf solche Situationen vorbereitet. "Es muss strukturell Vorsorge getroffen werden", so Dvořák. Notwendig seien verbindliche Normen in den Kollektivverträgen aber auch im Gesetz. So fordert die Arbeiterkammer etwa eine Erhöhung des Schadenersatzes auf mindestens 5.000 Euro, wenn Betriebe nachweislich keine Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung gesetzt haben.

Die Gespräche rund um ein Schutzkonzept stünden derzeit noch ganz am Anfang. Es bestehe aber immerhin Einigkeit mit der Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer, dass es ein Konzept braucht, sagte Olivia Janisch, stellvertretenden vida-Vorsitzende und vida-Bundesfrauenvorsitzende. Aktuell würden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, etwa Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in denen sie über ihre Rechte aufgeklärt werden oder auch für Führungskräfte zum richtigen Umgang mit Fällen von Belästigung. Eine weitere Möglichkeit wäre die Einrichtung einer externen Anlaufstelle. "Es gibt mehrere Möglichkeiten, da ist man jetzt gerade dabei, genau festzulegen, wie das dann auch für alle Betriebe gut umsetzbar ist", sagte Janisch.

Als Basis für die Gespräche über ein Schutzkonzept wurde von November bis Dezember 2023 eine Online-Umfrage unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Wiener Gastronomie durchgeführt. Befragt wurden 881 Beschäftigte, 72 Prozent waren weiblich, 26 Prozent männlich, einige Personen non-binär. Die Befragten seien nicht speziell gefiltert worden, deshalb seien die Ergebnisse nicht repräsentativ. "Wir haben eine Befragung so konzipiert, dass alle, die im Gastgewerbe arbeiten, eingeladen waren, teilzunehmen", erklärte Dvořák. Aufgrund der Stichprobengröße seien die Ergebnisse dennoch aussagekräftig.

Die Umfrage habe gezeigt, dass 79 Prozent der befragten Frauen, und 54 Prozent der Männer schon einmal sexuelle Belästigung erlebt oder beobachtet haben. Für rund 62 Prozent aller Befragten war das bereits mehrmals der Fall. 60 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gaben an, dass Vorgesetzte und der Betrieb nach Meldung eines sexuellen Übergriffs gar nichts dagegen unternommen hätten, in 28 Prozent der Fälle wurde die Belästigung gar nicht erst gemeldet, weil sich Betroffene keine Hilfe erwarteten.

Dabei hätten Betriebe und Chefs eine gesetzliche Verpflichtung: "Arbeitgeber:innen müssen Abhilfe schaffen, am besten, indem sie Täter und Betroffene räumlich trennen, also einen Gast des Lokals verweisen oder Lokalverbot erteilen, den Täter versetzen, oder, wenn das nicht möglich ist, kündigen", sagte Dvořák. Im Gastgewerbe geht sexuelle Belästigung hauptsächlich von Gästen aus, laut Umfrage war das für 78 Prozent der Befragten der Fall. Dahinter folgten Kolleginnen und Kollegen mit 48 Prozent und Vorgesetzte mit 35 Prozent. In 11 Prozent der Fälle waren es andere, etwa Lieferanten.

Bei sexuellen Übergriffen können sich betroffenen auch an die AK oder die Gewerkschaft wenden. Die Erfolgsquote vor Gericht sei hoch, "wir müssen aber dafür sorgen, dass die Belästigung gar nicht erst passiert, dafür braucht es Strukturen", sagte Dvořák abschließend.