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Null und eins

NEW BUSINESS Guides - BILDUNGS-GUIDE 2019
Digitalisierung ist ein Fakt, sie existiert und muss sein. Aber wie gehen wir gesellschaftlich damit um? © Pixabay/Gerd Altmann

Die Digitalisierung ist in vollem Galopp unterwegs. Schon ziemlich lang. Sie aufhalten oder ignorieren zu wollen, ist genau so, als wollte man die Erfindung des Buchdrucks rückgängig machen ...

... Es geht also auf gar keinen Fall um Digitalisierungsbashing. 

Es geht darum, wie wir mit dieser technologischen Naturgewalt umgehen. Es lohnt sich, ein paar andere Parameter einzubeziehen. Diese Kriterien sind schon (sehr) lange bekannt, man muss sie nur anschauen, und schon ändert sich etwas im Kopf.
Anfang der 1980er-Jahre tauchte erstmals ein Begriff auf: die Zwei-Drittel-Gesellschaft. Dieser Begriff beschrieb eine Entwicklung, in der die Gesellschaft dauerhaft in drei Teile zerlegt wird. Zwei Teile befinden sich oberhalb der Armuts­grenze, ein Teil darunter. An dieser Relation ändert sich nichts, bis auf den Umstand, dass es durchaus zwischen oben und unten eine ständige Osmose gibt. Es dauerte bis in die Neunziger, bis der erste österreichische Politiker diesen Begriff in den Mund nahm.

Arbeitsmarkt im Umbruch
Dann gibt es mehr als ausreichend Studien – sehr berühmt die sogenannte Oxford-Studie, in der prognostiziert wird, dass durch die Digitalisierung in den nächsten zehn Jahren bis zu 47 Prozent der derzeit existierenden Jobs verschwinden werden. Die Effekte reichen bis in scheinbar geschützte Bereiche. Algorithmen werden im Anwaltsleben das langwierige Suchen nach Präzedenzfällen unnötig machen. Der Fokus auf Strategie und Taktik wird zunehmen und so ein viel stärkeres Erfolgskriterium einführen.
In der Medizin wird die bildgebende Diagnostik zunehmend von Algorithmen erledigt, die ganz kleine Details besser erkennen als das menschliche Auge. Die Ärzte werden viel mehr als bisher auf die konkrete menschliche Betreuung der Patienten fokussiert – ebenfalls ein sehr starkes Erfolgskriterium.
Aber auch in den einfachen manuellen Bereichen wird sich viel ändern. Lagerarbeit, Transportwesen und Ähnliches werden computer­gesteuert erledigt, wodurch die bisher dort tätigen Menschen hinfällig werden.

Gegen dystopische Zustände
Es muss daher die Frage gestellt werden, wie und ob es gelingen kann, all jene Menschen, die bisher nicht von Dienstleistung und Kreativität gelebt haben, in wettbewerbsfähige Berufe umzuschulen. Der Verdacht lautet: Bei zu vielen wird das nicht gelingen.
Aus all diesen Menschen entsteht dann ein ­neues Proletariat. Moderne Analphabeten, die mit Null und Eins nicht umgehen können. Die Vermutung darf ausgesprochen werden, dass die oben genannte Zwei-Drittel-Gesellschaft auf den Kopf gestellt wird: ein Drittel oben, zwei Drittel unten. Ein leider sehr begehrtes Reservoir für Demagogen und Populisten jeder Art.
Das ist aus meiner Sicht der Kern des Themas Digitalisierung. Sie ist ein Faktum. Sie existiert und muss sein. Die Frage lautet: Wie gehen wir gesellschaftlich damit um?
Wenn wir kein dystopisches Szenario wollen, das die schlechtesten Horror-B-Movies in den Schatten stellt, dann müssen wir auch ernsthaft über ein arbeitsloses Grundeinkommen und seine Finanzierung reden, damit all jene, die nicht mehr Schritt halten können, nicht unter die Räder kommen. (HS)

DER AUTOR
Dr. Hannes Sonnberger, Dr. Sonnberger Business Coaching
Hannes Sonnberger war viele Jahre in führenden Positionen in Werbeagenturen tätig.
Seit 2005 arbeitet er als ­zertifizierter Business-Coach mit den Schwerpunkten Führung, Konfliktmanagement, Burnout-Prophylaxe und Teamarbeit.
Aktuell erschienen ist sein neues Sachbuch „Tool Box“.

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