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Acredia-Vorstand Michael Kolb © Acredia/Martina Draper

Michael Kolb ist Vorstand bei Acredia, dem größten Kreditversicherer in Österreich. Im ­Interview mit NEW BUSINESS erzählt er, welche Gefahren für Unternehmen rund um die Russland-Sanktionen lauern.

Die Welt kommt derzeit nicht aus dem Krisenmodus. Unternehmen kämpfen an vielen Fronten gleichzeitig. Pandemie, Ukraine-Krieg, steigende Rohstoffpreise, gesprengte Lieferketten und bevorstehende Zinsanhebungen stellen das Risikomanagement vieler Betriebe auf eine harte Probe. Kreditversicherungen sind in diesen schwierigen Zeiten ein wichtiger und stabiler Partner. Sie unterstützen Unternehmen bei der Bewertung von Risiken und sichern offene Forderungen gegen Zahlungsausfall und Insolvenz ab.

Der Marktführer für Kreditversicherungen in Österreich heißt Acredia. Seit 1989 versichert das Tochterunter­­nehmen der Oesterreichischen Kontrollbank offene For­derungen im In- und Ausland. Das Gesamtobligo betrug Ende 2021 rund 29 Milliarden Euro.

NEW BUSINESS hat sich mit Michael Kolb, der seit Oktober 2021 im Vorstand der ­Acredia ist, über die Russland-Sanktionen und die Auswirkungen auf österreichische Unternehmen unterhalten.

Herr Kolb, mit dem Öl-Embargo steht das nächste Sanktionspaket gegen Russland vor der Tür. Was bedeutet das für österreichische Unternehmen?
Das Thema Sanktionen ist enorm wichtig, sowohl für österreichische Unternehmen als auch für ausländische Unternehmen, die in Österreich und der EU tätig sind. Denn bei Nichteinhaltung drohen empfindliche Geldstrafen, und sogar Freiheitsstrafen können verhängt werden. Unternehmen tun also gut daran, das Thema nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.

Um welche Sanktionen handelt es sich konkret?
Die meisten Unternehmen sehen zuerst nur die Sanktionen, die den direkten Export nach Russland betreffen. Also zum Beispiel das Verbot, Technologiegüter, Dual-Use-Produkte oder Luxusgüter in den russischen Markt zu exportieren oder mit bestimmten Personen Geschäfte zu tätigen. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs.

Welche Gefahren lauern denn unter der ­Wasseroberfläche?
Neben den zahlreichen Exportsanktionen gibt es auch etliche Importverbote, wie zum Beispiel von Eisen, Stahl, Kohle, Holz oder Zement. Diese müssen genauso eingehalten werden. Dann gibt es umfangreiche Einschränkungen beim Transport, beim Zahlungsverkehr – sogar beim Transfer von Bargeld und beim Verkauf von Wertpapieren, die in Euro nominiert sind. Die Sanktionen sind vielfältig, haben zahlreiche Ausnahmen und ändern sich ständig. Und schließlich gibt es auch die Sanktionen, die von den USA erlassen wurden und ebenfalls ständig ergänzt werden.

Inwiefern sind US-Sanktionen für österreichische Unternehmen von Bedeutung?
Die USA verhängen ihre eigenen Sanktionen, sie unterscheiden sich von den europäischen. Unternehmen, die einen Bezug zu den USA haben, müssen diese Sanktionen weltweit einhalten, wenn sie eine Niederlassung in den USA haben oder amerikanische Produkte beziehen. Die Vorschriften können aber auch Produkte betreffen, die gar nicht in den USA produziert werden. 
Das sind Produkte, die unter die „Foreign Direct Product Rule“ und damit unter die Exportkontrolle der US-Behörden fallen. Dabei handelt es sich um außerhalb der USA hergestellte Produkte, die mithilfe von amerikanischer Technologie oder Software produziert werden. Das können zum Beispiel Mikrochips sein, die in europäische Produkte eingebaut werden.
Was passiert, wenn sich europäische Unternehmen nicht an die US-Sanktionen halten?

Die Auswirkungen sind sehr unterschiedlich und hängen von den konkreten Sanktionen ab. Sie können von hohen Geldstrafen bis zum Einfrieren des Vermögens, das sich auf amerikanischem Boden befindet, reichen. Bekanntestes Beispiel ist der Fall BNP Paribas. Die Bank zahlte 2014 fast neun Milliarden Dollar Strafe, weil sie US-Sanktionen gegen den Iran und Kuba missachtet hatte.

Wie können Unternehmen diesen Eisberg umschiffen?
Nur wenn man die Risiken kennt, kann man ihnen ausweichen. Das heißt, dass sich Unternehmen zunächst einmal bewusst sein sollten, dass es ihre Pflicht ist, sich über die Sanktionen zu informieren und diese einzuhalten. Daran führt kein Weg vorbei.

Die österreichische Wirtschaftskammer und die Österreichische Nationalbank bieten umfassende und laufend aktualisierte Informationen zu den geltenden Sanktionen der europäischen Union. Bei Fragen sollte man sich auf alle Fälle von Experten beraten lassen.

Generell empfiehlt sich, zunächst einmal den Geschäftspartner unter die Lupe zu nehmen. Steht dieser auf einer Sanktionsliste? Wie sieht es mit der Bonität aus? Weiters ist zu prüfen, ob die Waren beziehungsweise die Dienstleistungen selbst sanktioniert sind. Werden spezielle Genehmigungen verlangt? Wenn man dann das Geschäft noch immer machen will, sollten etwaige Transportbeschränkungen berücksichtigt und die Zahlungsmodalitäten geklärt werden. Ebenso gilt es, Währungsschwankungen im Auge zu behalten. 

Wie gehen die Kunden der Acredia mit den ­Sanktionen um?
Die Prüfung der Sanktionen obliegt den Unternehmen selbst. Das ist zwar ein Aufwand, aber die meisten sind lieber vorsichtig und riskieren nichts. Vor allem, weil es neben den unmittelbaren Geldstrafen und möglichen Freiheitsstrafen noch sekundäre Folgen geben kann. Das kann vom Imageschaden bis hin zum Verlust von Aufträgen und dem Abbruch von Geschäftsbeziehungen reichen. Schließlich will niemand in der „Hall of Shame“ landen. Für unsere Kunden ist es deshalb besonders wichtig, mit Acredia einen verlässlichen Partner zu haben und zum Beispiel die Bonitätsprüfung an unsere lokalen Experten auszulagern. (red./PR)

www.acredia.at

Info-Box
◆ Über die Acredia Kreditversicherung AG
◆ Gegründet 1989
◆ Über 50 Prozent Marktanteil in Österreich
◆ Im Eigentum der Oesterreichischen Kontrollbank AG (51 Prozent) und Euler Hermes AG (49 Prozent)
◆ Derzeit 29 Milliarden Euro Gesamtobligo
◆ Hauptgeschäft: Versicherung offener Forderungen gegen Zahlungsausfall und Insolvenz