Wie sieht die Arbeit in der Zukunft aus?

NEW BUSINESS - NR. 4, MAI 2019
Digitale Disruption, neue Arbeitszeiten, starke Unternehmenswerte - darauf müssen die Arbeitnehmer der Zukunft gefasst sein. © Pixabay

Welche Faktoren wesentlichen Einfluss darauf nehmen, wie wir künftig arbeiten werden und welche Probleme uns infolgedessen bevorstehen, weiß HR-Experte Martin Mayer.

Wird Arbeit in Zukunft nur mehr von Robotern gemacht werden und was werden die Probleme und Herausforderungen sein? Es sind vor allem vier Faktoren – demografische Umwälzungen, digitale Disruption, Speed und Kulturwertewandel –, die die Zukunft der Arbeit beeinflussen werden. Was es damit auf sich hat und wie die Zukunft der Arbeit aussehen wird, verrät Martin Mayer, Geschäftsführer von Iventa, dem Experten für Personalmanagement.

Digitale Disruption wird Märkte immer mehr herausfordern
„Am Beispiel Uber sehen wir, wie sich Märkte heute verändern“, lautet Martin Mayers anfängliches Beispiel. Das ist nicht nur Technologie gegen analog, das ist auch Weltkonzern gegen kleingewerblich, freier liberaler Markt versus extrem reglementierten Markt, sondern es zeigt sehr anschaulich, was heute bereits alles möglich ist und wie ein Taxidienst die klassische Taxibranche in Bedrängnis bringt. Derartige Beispiele der digitalen Disruption werden wir künftig öfter erleben, ist Mayer überzeugt.

KI als Thema der Gegenwart
Für viele Menschen wird künstliche Intelligenz in der Zukunft der Arbeit eine wesentliche Rolle spielen. Für Mayer ist aber „künstliche Intelligenz nicht ein Thema der Zukunft, sondern bereits ein Thema der Gegenwart“. Denn Watson, der Supercomputer von IBM, ist ja bereits Realität – insbesondere in den USA, wo er auch für HR-Zwecke eingesetzt wird. Hier werden die gesamten Recruitingverfahren im öffentlichen Dienst mit Programmen, die über Watson entwickelt wurden, abgewickelt. Die Technologie gibt es – die Frage ist jene, wie diese in den einzelnen Prozessen angewendet werden wird, so Mayer. Die Smart Speaker wie Alexa, Siri oder Amazon Echo, die ich auch fragen könnte: „Hast du einen Job für mich?“, funktionieren noch nicht. „Das steckt noch in den Kinderschuhen, aber es zeigt, wohin die Reise geht“. Vielleicht wird der Lehrling in ein, zwei Jahren seine Lehrstelle über Alexa suchen, so Mayer.

Agil versus patriarchal
Die Befürchtung, dass durch die Digitalisierung die Arbeitsplätze ersetzt werden würden, teile Mayer nicht. Dazu müsste man annehmen, dass sich die Produktivität extrem steigern würde. Wenn man aber davon ausgeht, dass die Arbeitsproduktivität in den kommenden Jahren in etwa gleich bleibt – wovon Mayer überzeugt ist – dann wird das so nicht eintreffen. Denn auch wenn etwas technologisch machbar ist, muss es erst in der gesamten Wertschöpfungskette umgesetzt werden. Aktuell stehen vier Generationen im Erwerbsprozess und diese sind von ihrem Wertesystem her sehr unterschiedlich aufgestellt. Babyboomer, Generation X, Y und Z. So ist letztere bereits mit Mobiltelefonen aufgewachsen und die Babyboomer noch mit Brief und Vierteltelefon. Konzerne sind heute sehr in der Generation Y verhaftet – und das nicht nur in ihrer Suche, sondern auch in ihrem ganzen Denken. Während diese in ihren ganzen Führungsstrukturen sehr jung geworden sind, werden klassische Familienunternehmen oft noch von einem 65- bis 70-jährigen Patriarchen – einem Babyboomer – geführt, so Mayer. In vielen Konzernen hingegen ist das Management Anfang bis Mitte 40. Da werden sicher manche Entscheidungen einfach anders getriggert. Viel funktioniert hierarchieloser, Entscheidungen fallen zunehmend informeller. Und auf die Frage, welche Unternehmenskultur sich in der Zukunft durchsetzen wird, meint Mayer, dass es künftig alles, vom Start-up bis hin zum patriarchalen Familienunternehmen, geben wird: „Es wird eine Mischung sein, gewisse Diskussionen werden sehr patriarchal und gewisse sehr agil geführt werden.“

Das Fehlen der Arbeitskräfte …
Vor allem eine Frage wird die Arbeit in der Zukunft beschäftigen – das ist das Fehlen der Arbeitskräfte. Das wird eine der größten Wachstumshürden werden. Laut einer Studie fehlen allein in Deutschland im Jahr 2030 acht Millionen Erwerbstätige. Sieht man sich dazu die Alterspyramide an, erkennt man, dass 2030 der Großteil der Babyboomer in Pension sein wird und zu wenige Menschen in den Arbeitsprozess nachrücken. Aber es ist nicht nur ein deutsches Phänomen, die gesamte westliche Welt, die OSZE-Welt, steuert auf einen Arbeitskräftemangel zu. Die Grundannahme hinter diesen Berechnungen ist aber immer gleichbleibendes Wirtschaftswachstum und gleichbleibende Effizienzsteigerung. Sinkt jedoch das Wachstum, dann werden die Zahlen andere sein – wenn dazu noch die Produktivität steigt, dann wird es wiederum ganz anders aussehen – noch viel dramatischer, so Mayer.

… und die Lösung
Für ihn gibt es drei Gruppen, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen: Man hält Personen länger in Beschäftigung, setzt mehr auf Migration und auf Frauen. In Österreich sind derzeit nur 45 Prozent der 55- bis 64-Jährigen in Beschäftigung. Daher ist einer der Auswege aus dem Arbeitskräftemangel, die Menschen länger im Arbeitsprozess zu halten. Das müsste natürlich über gesetzliche Regularien gesteuert werden. Stichwort: Pensionsantrittsattraktivität. Mayer geht davon aus, dass es relativ bald sehr unattraktiv werden wird, vor 65 in Rente zu gehen. „In Deutschland wurde das Rentenalter bereits auf 67 raufgesetzt. Wenn ich wirklich die gesamte Population über 55 im Erwerbsprozess halte, dann wären das zusätzlich 1,2 Millionen Menschen in Deutschland oder 22 Prozent des Fachkräftemangels“, so Mayer.
Der zweite Ansatzpunkt ist jener, Personen aus anderen Ländern in den Arbeitsprozess einzugliedern. „Wir müssen uns viel stärker mit der Frage beschäftigen, in der kulturellen Vielfalt zu leben und sich mit dieser auseinanderzusetzen.“ Über diese Themen müssen Unternehmen nachdenken. Die Wertewelt wird einfach viel diverser. Menschen aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen mit unterschiedlichen Denkmustern arbeiten zusammen. Das gilt es bei der Entwicklung eines Arbeitszeitmodells zu bedenken.

Familie und Beruf unter einem Hut
Ein weiterer Punkt ist die Schaffung gezielter Anreize für Frauen. In den Ausbildungsprozessen sind Frauen mit Männern absolut gleichwertig – bei den Bildungsabschlüssen und auch noch im Berufseinstieg – aber danach nicht mehr. Hier sollte man mehr ab den Familiengründungen ansetzen und wirklich nach Optimierungen suchen, wie Beruf und Familie vereinbar sind. „Das wird viel zu ideologisch diskutiert und zu wenig pragmatisch“, kritisiert Mayer. „Wir wollen, dass alle Frauen Vollzeit arbeiten, ist ideologiegetrieben und trifft nicht den Punkt, denn das wollen sehr viele Frauen mit Kindern eigentlich nicht.“ Es braucht andere Modelle – der Kindergarten allein kann nicht die Antwort sein. So sollte man beispielsweise über Modelle der Unterstützung in der Haushaltsführung nachdenken. Man muss hier viel offener denken, lautet der Appell von Martin Mayer.
Die Konzentration bzw. Schaffung einer Firmenidentität – eine Cultural Company, ein eigenes Unternehmenswertesystem – kann auch eine Antwort auf die vorher aufgeworfenen Fragen sein. „Das bekannteste Beispiel dafür ist Google. Das Unternehmen vereint 100 Nationalitäten der Welt, Top-IT-Leute, und das funktioniert sehr gut. Google hat bei einem Projekt im Bereich der automatisierten Waffen mit dem Pentagon mitgearbeitet. Daraufhin bildeten die Mitarbeiter eine Petition, dass das nicht zu den eigenen Unternehmenswerten passt und Google hat sich daraufhin aus dem Projekt zurückgezogen. Das zeigt sehr anschaulich, wie wichtig bei allen unterschiedlichen Werten gemeinsame Firmenwerte sind – da findet ein Kulturwertewandel statt“, so Mayer.

Vielseitige Betrachtungsweise
Für Martin Mayer war die Arbeitswelt lange von einem reinen Controlling-Zugang – Daten, Fakten und Begründen – geprägt. Heute kommt man immer mehr zu dem Schluss, dass dieser durchaus wichtig ist, aber es auch andere Zugänge, andere Kombinationen braucht. Ein Beispiel dafür ist das Lab zum Thema „Future City“ in Boston. Hier arbeiten interdisziplinäre Forscher-Teams, bestehend aus einem Physiker, einem Computerwissenschaftler, einem Statistiker, aber auch einem Künstler, zusammen. Das funktioniert sehr gut, da Probleme wirklich von allen Seiten aufgerollt werden. Früher wurden Tausende Papers und Tabellen geschrieben, Tabellen, die aber niemanden interessierten, heute werden die Ergebnisse über Visualisierungen kommuniziert. „So kann produktive Arbeit in der Zukunft aussehen“, so Mayer.

INFO-BOX
Für Martin Mayer gibt es zusammengefasst die folgenden Trends:
• Digitale Disruption, das Entstehen neuer Geschäftsmodelle und der demografische Wandel werden dazu führen, dass ein Großteil der Erwerbstätigen in 20 Jahren in Berufen tätig sein wird, die wir heute noch gar nicht kennen. Andere Berufe werden verschwinden.
• Durch Smart Devices sind viele Menschen heute ständig online. Ein Großteil der ­Beschäftigten beantwortet berufliche Mails auch außerhalb der Arbeitszeiten. Die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit verschwimmen daher.
• Auf der anderen Seite ist mit der Generation Z eine Generation in den Arbeitsmarkt ­getreten, der Freizeit als Ausgleich sehr wichtig ist. Der Karriere und dem Arbeitsleben wird nicht mehr alles untergeordnet, wie dies noch in der Generation X der Fall ist.
• Die heutige ältere Generation ist fitter und „jünger“ als jemals zuvor. Sie werden künftig einfach länger beruflich aktiv sein.
• Weiterer Einsatz und Ausbau digitaler Technologien, wie KI, werden auch Auswirkungen auf Arbeit und Arbeitsprozesse haben.
• Mehr Vielfalt: Immer mehr Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Ländern ­werden in Unternehmen zusammenarbeiten.
• Stärkere Vernetzung: Arbeiten in interdisziplinären Teams wird sich immer mehr ­durchsetzen. Auch projektbezogene Zusammenarbeit unterschiedlicher Firmen wird immer stärker in den Fokus rücken.
• Die Unternehmenswerte werden für Firmen zunehmend wichtiger, denn sie werden ­darüber entscheiden, wie attraktiv ein Arbeitgeber im „war of talents“ ist.