Christina Wilfinger, Geschäftsführerin SAP Österreich, im Porträt.

NEW BUSINESS - NR. 3, MÄRZ 2022
»Ich möchte die Unternehmen mithilfe von Technologie nicht nur ‚intelligent‘ und wettbewerbsfähiger machen, sondern auch das Thema Nachhaltigkeit in die Geschäftsprozesse bringen.« © Paul Bauer

Hier spielt die Musik: Von Piano & Sax bis Bits & Bytes - SAP-Chefin Christina Wilfinger versteht es, vermeintlich Gegensätzliches zu vereinen.

Viel hätte nicht gefehlt und aus der im steirischen Pöllau aufgewachsenen Christina Wilfinger wäre nicht die erste Frau an der Spitze von SAP Österreich geworden, sondern eine gefeierte Saxofonistin wie Candy Dulfer. Denn in ihr schlagen – mindestens – zwei Herzen. Gerade deswegen versteht Sie es auch, auf den ersten Blick Gegensätzliches miteinander zu vereinen. Wie zum Beispiel Musik und Technologie. Woher das kommt? Ein Stück weit liegt es sicher in ihren Genen. „Der eine Teil meiner Familie ist künstlerisch, der andere ist eher analytisch“, erzählt sie. Gegensätze ziehen sich an? Vielleicht. Aber auf jeden Fall ergänzen sie sich.

Nichtsdestotrotz gibt es Punkte im Leben, an denen man sich entscheiden muss. Christina Wilfinger war 14 Jahre alt und hatte zu diesem Zeitpunkt bereits rund acht Jahre am Piano sowie drei Jahre mit dem Saxofon hinter sich, als sie an einer dieser Gabelungen stand und den Entschluss fasste, ihre schulische Ausbildung in einer technischen Richtung fortzuführen. Sie wechselte vom Gymnasium in Hartberg auf die HTL in Pinkafeld und wählte die Fachrichtung EDV und Organisation.

„Wenn man als 14-, 15-Jährige Programmieren lernt, dann macht das etwas mit einem. Das ist eine Art zu denken, eine Art zu arbeiten. Die Musik wird mich aber mein ganzes Leben lang begleiten. Die Kombination aus künstlerischer Kreativität und Logik hat mich sicherlich auch sehr geprägt und ist ein Grundstein meiner heutigen Karriere“, verrät sie.

„Ausflüge“ aus dem Heimathafen
Nach dem Abschluss der HTL stand sie wieder an solch einer Weggabelung, als es um die Wahl des Studiums ging. In der Steiermark bleiben oder nach Wien gehen? Die Wahl fiel auf die Bundeshauptstadt, da an der dortigen Technischen Universität mit dem Wirtschaftsingenieurwesen ein Studienzweig unterrichtet wurde, der ihren mit der HTL eingeschlagenen Weg optimal ­fortsetzte.

Praxisbezug war ihr wichtig und so wundert es nicht, dass sie bereits während des Studiums das Erlernte auch anwandte. Als Inhouse Consultant im SAP Competence Center der damaligen mobilkom austria kam sie intensiv mit den Lösungen jenes Unternehmens in Berührung, das später sozusagen zu ihrer „Homebase“ werden sollte. Ihren Heimathafen bei SAP verließ sie in weiterer Folge zwar zwei Mal, doch kehrte sie immer wieder zurück – mit wertvollen Erfahrungen und nützlicher Außenperspektive im Gepäck. 

Doch zurück zur chronologischen Reihenfolge: 2007 wechselte Wilfinger von der mobilkom erstmalig zur SAP und begann dort in der Beratung. 2011 ­ereilte sie dann der Ruf des Schweizer SAP-Partners CubeServ Group, wo sie ihren Horizont noch mehr erweiterte und sogar ein Projekt in Indien begleitete. „Bei vielen Karriereschritten haben sicher Zufall und Fügung eine Rolle gespielt. Ich war bei einigen Positionen einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort und habe bewusst Ja zur angebotenen Position gesagt – weil ich es mir zugetraut habe und weil es oft ein logischer nächster Schritt war, weitere Führungsaufgaben und Verantwortung zu übernehmen“, so Wilfinger dazu.

So war es auch ungefähr 2012, als ein zufälliges Treffen am Flughafen zwischen zwei Businessmeetings schließlich dazu führte, dass sie zur SAP zurückfand. In den darauffolgenden vier Jahren stieg sie in Österreich bis zum Director Solution Sales auf, um dann Ende 2016 bei einem anderen schillernden Namen der IT-Branche – Microsoft – anzuheuern und dort zum Mitglied der österreichischen Geschäftsleitung zu werden.

Rückkehr als Geschäftsführerin
Bei SAP hat man die vielseitige Christina Wilfinger natürlich in guter Erinnerung behalten. Als vier erfolgreiche Jahre später der damalige Chef von SAP-Österreich, Christoph Kränkl, eine internationale Rolle übernehmen sollte, klingelte bei ihr wieder das rote Telefon aus dem deutschen Walldorf, wo SAP seine Zentrale hat, mit einem neuerlichen Jobangebot ihrer „Homebase“.

2021 war kein leichtes Jahr, um sich in einer neuen Position zurechtzufinden, doch Wilfinger und ihr Team haben auch das gemeistert und trotz Pandemie das bislang erfolgreichste Jahr der österreichischen SAP-Geschichte hingelegt. „Ich glaube, wenn man mit dem Herzen dabei ist und Freude an seiner Tätigkeit hat, dann klappt es auch mit dem Erfolg. Das hat mich immer schon angetrieben.“

Zum Erfolg gehören auch Ziele. Was steht noch auf dem Programm? „Ich habe mir für meine Rolle vorgenommen, Österreich in Sachen Digitalisierung weiter nach vorne zu bringen und die Innovationskraft, die in den österreichischen Unternehmen stark ausgeprägt ist, noch weiter zu stärken. Ich möchte die Unternehmen mithilfe von Technologie nicht nur ‚intelligent‘ und wettbewerbsfähiger machen, sondern auch das Thema Nachhaltigkeit in die Geschäftsprozesse bringen. Gemeinsam mit meinem COO ­Gre­gor Grindjan haben wir dieses wichtige Thema zu einem unserer Arbeitsschwerpunkte 2022 gemacht“, so die SAP-Chefin.

Nicht nur das Übernehmen von Führungsaufgaben und Verantwortung ist für sie selbstverständlich, sondern auch die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen. „Mit Mentor:innen oder Coaches zu arbeiten, war sicher auch sehr wichtig und ich selbst stehe gerne als Mentorin zur Verfügung, da es ein wichtiger Teil meines Selbstverständnisses ist, das Wissen und meine Erfahrung weiterzugeben oder neue Blickwinkel in die Diskussion zu bringen.“

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Blick in die Zukunft von vielen Unwägbarkeiten getrübt wird. Aber Christina Wilfinger ist dennoch überzeugt: „Mir macht meine derzeitige Rolle sehr großen Spaß und sie bringt auch nach wie vor täglich neue Herausforderungen mit sich – ich bin mit meiner Aufgabe noch nicht fertig.“ Und was sie sich vornimmt, das führt sie auch zu Ende. Wer weiß? Vielleicht greift sie irgendwann doch auch noch einmal zum Saxofon und schlägt gänzlich neue Töne an. (RNF)


12 FRAGEN AN CHRISTINA WILFINGER

Was wollten Sie als Kind werden?
Konzertpianistin und/oder Astronautin – der erste Österreicher im All hat mich ­damals sehr beeindruckt. 
    
Was bedeutet Glück für Sie?
Innere Zufriedenheit und den Moment bzw. Augenblick zu genießen.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Bauer und Bobo: Wie aus Wut Freundschaft wurde“ von Florian Klenk.

Welche Persönlichkeit inspiriert Sie?
Ich habe immer versucht, mir überall ein Stückchen mitzunehmen. Eine einzelne Person kann ich nicht nennen.

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
Die 80:20 Regel. Das bedeutet für mich 80 % Planung und 20 % Improvisation oder auch lieber zu 80 % schneller und besser zu sein und 20 % Fehlertoleranz als Lern­effekt dabei akzeptieren.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?
Mit einem Kind. Ich finde es sehr schade, dass wir leider oft im Laufe eines Lebens verlernen, in der Gegenwart zu leben und zu agieren.

Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Das tägliche Jonglieren zwischen Familie, Job und Alltag.

Was ist das Verrückteste, das Sie je in ihrem Leben getan haben?
Nichts Druckreifes. ;-)

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Über eine Aussage eines Kollegen im Zuge eines Vergleichs bei einem Kundenprojekt: „Das ist so wie wenn man beim Kuchenbacken die Kerzen in die rohen Eier steckt.“ 

Gibt es etwas, das Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?
Tiefseetauchen. 

Was motiviert Sie, tagtäglich aufzustehen?
Mein natürlicher Wecker – meine Tochter.

Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann und ­warum?
Ein Oktopus – oft wären mehrere Arme gleichzeitig sehr hilfreich. 


ZUR PERSON
Expertin in Digitalisierungsfragen
Seit Februar 2021 ist Christina Wilfinger Geschäftsführerin bei SAP Österreich. In den vier vorangegangenen Jahren war sie als Mitglied des Führungsteams von ­Microsoft Österreich für den Lösungs­vertrieb im Enter­prise-Bereich verant­wortlich. Vor ihrem Wechsel zu Microsoft arbeitete sie bereits einige Jahre bei SAP in leitenden Positionen im Beratungs- und Vertriebsbereich und war Mitglied der Geschäftsleitung von SAP Österreich. Sie besitzt einen Abschluss in Wirtschafts­ingenieurwesen von der Technischen Universität Wien und unter­richtet an der Universität für Weiterbildung Krems als Lektorin. Wilfinger ist verheiratet und lebt mit ihrem Mann und Kind in Wien.