IBM-Österreich-Chefin Tatjana Oppitz im Porträt

NEW BUSINESS - NR. 3, April 2017
Mit Beginn des Jahres 2011 übernahm Tatjana Oppitz die Position als Generaldirektorin von IBM Österreich. © IBM

Diversity ist ChefInnen-Sache.

Mit seiner mehr als 100-jährigen Unternehmensgeschichte zählt IBM zu den Pionieren der Informationstechnik. Seit sechs Jahren steht die Österreich-Niederlassung des Technologiekonzerns unter der engagierten Führung von Tatjana Oppitz und profitiert dabei von ihrer weiblichen Führungsstärke, ihrem tiefen Branchenverständnis und nicht zuletzt ihrer Begeisterung für zukunftsweisende Innovationen. „Technologie ist für mich die essenzielle Grundlage für Fortschritt, Wirtschaft und gesellschaftlichen Wohlstand“, erklärt Tatjana Oppitz. „Zu jedem Zeitpunkt in der Vergangenheit hat die Mehrheit der Menschen geglaubt, es sei alles erfunden, was man erfinden kann. Die Geschichte hat das Gegenteil bewiesen und so wird es auch in Zukunft sein. Unvorstellbar, hätte James Watt nicht die Dampfmaschine erfunden oder IBM nicht den Computer. Und gerade jetzt treten wir in eine neue Ära ein, die der so genannten kognitiven Systeme – das Zeitalter, in dem Computer nicht mehr programmiert werden müssen, sondern beginnen, selbstständig zu lernen und menschliche Sprache zu verstehen. Computersysteme werden über die Cloud zu einem Assistenten in allen Lebenslagen, der uns dabei unterstützt, durch den ungeheuren Dschungel an Informationen zu navigieren. Es gibt für mich persönlich kaum eine spannendere Branche als die der Informationstechnologie!“

Flexible Anpassungsfähigkeit
Wir leben heute in einer Welt, die immer schneller, vernetzter, transparenter und automatisierter wird. Dabei verändert sich die Wirtschaft rasant. Die Innovationszyklen werden immer kürzer. „Wer hier nicht schnell agiert, bleibt oft auf der Strecke“, ist Tatjana Oppitz überzeugt, „es ist daher extrem wichtig, selbstorganisiert zu sein und stets Neuem wie auch Veränderungen aufgeschlossen gegenüberzustehen. Etablierte Unternehmen müssen sich an die rapide wandelnden Märkte und an die neue Geschwindigkeit anpassen. Durch die Digitalisierung eröffnen sich ganz neue Chancen in Bezug auf Verbesserung der Effizienz und Bildung neuer Geschäftsbereiche und führen zu einem agilen Kundenmanagement. Wer diese digitale Transformation als Chance nützt und nicht als Bedrohung sieht, ist ganz klar im Vorteil. Auch im Hinblick auf die kommenden Generationen an Mitarbeitern ist Flexibilität die Nummer-1-Herausforderung an Unternehmen, um Talente rekrutieren und halten zu können. In zehn Jahren werden 70 Prozent der Mitarbeiter der vielzitierten Generation Y angehören, also nach 1980 geboren sein. Gerade für diese Generation sind die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine sinnstiftende Aufgabe und Selbstverwirklichung im Job zentral. Moderne Technologie ermöglicht diese Flexibilität, aber die Kultur in Unternehmen muss sich ebenfalls in diese Richtung entwickeln.“

Führung als Privileg und Ehre
Der Führungsstil von Tatjana Oppitz basiert auf Vertrauen und Respekt. Sie hört zu, ist lösungsorientiert und baut auf Teamwork anstatt Einzelkämpfertum. „Ich bin davon überzeugt, dass eine Führungskraft auch als Autorität agieren muss, indem sie die Balance zwischen Teamplay, klaren Vorgaben und Grenzen findet. Ich denke, eine einflussreiche Position und das damit verbundene Maß an Macht sollten sowohl als Privileg und Ehre verstanden als auch sehr umsichtig wahrgenommen und eingesetzt werden. Es ist die Verantwortung jedes und jeder Einzelnen der Gesellschaft und letztlich sich selbst gegenüber, den eigenen Einfluss im Sinne des Wandels zum Guten zu verwenden. Es gibt in unserer Gesellschaft und in unseren Märkten noch so viel Gutes zu tun, es sind auf dem Globus noch so viele Dinge zu verbessern. Wir ‚Mächtigen‘ müssen daher dafür sorgen, dass Wandel fortwährend geschieht. Männer und Frauen in Führungspositionen können dazu in vielfältigen Formen etwas beitragen.“

Diversität im digitalen Zeitalter
Tatjana Oppitz setzt sich seit vielen Jahren stark für Frauenförderung und Diversity ein. So ist es ihr ein großes Anliegen, mithilfe gezielter Mentoring- und Coaching-Programme junge Frauen bei der Definition ihrer persönlichen Karriereziele zu unterstützen. Das Thema „Frauen in technischen Berufen“ liegt ihr diesbezüglich besonders am Herzen: „Frauen sind in MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) traditionell immer noch in der Minderheit. Laut dem deutschen Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS) hat sich der Frauenanteil in den MINT-Fächern in den vergangenen 20 Jahren nicht grundlegend geändert. Insbesondere in einer so digitalisierten und technisierten Ära wie der unseren ist ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis aber unabdingbar. Bei IBM in Österreich haben wir rund 30 Prozent Frauen und denselben Anteil in Führungspositionen – ein guter Wert, aber noch nicht gut genug. Ein ausgewogenes Verhältnis wird es erst dann geben, wenn mehr Frauen technische oder wirtschaftliche Berufe wählen. Zudem achten wir darauf, dass bei Programmen für Nachwuchsführungskräfte 50 Prozent Frauen nominiert werden.“
IBM selbst ist im Bildungsbereich sehr aktiv, veranstaltet Technik-Camps für Mädchen, geht an Schulen und kooperiert mit Universitäten. „Hier braucht es aber die Anstrengung der gesamten Branche, der Politik, des Bildungssystems und jeder oder jedes Einzelnen, der oder die eine Tochter hat“, verdeutlich Tatjana Oppitz die Gender-Problematik unserer Zeit. „Als Branche müssen wir kommunizieren, dass IT ein unglaublich spannender Arbeitsbereich ist, in dem Frauen Karriere machen können. Nirgendwo sonst gibt es derartig große Möglichkeiten, gepaart mit flexiblen Arbeitsmodellen. Wir haben auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Führungspositionen in Teilzeit ausüben. Also eigentlich ist Technologie die beste Freundin der Frau – wir als Branche müssen das noch stärker vermitteln.“ (BO)

Zwölf Fragen an Tatjana Oppitz

Was wollten Sie als Kind werden?
Ansagerin im Radio, Friedenskämpferin in Vietnam.

Was bedeutet Glück für Sie?
Ein Waldspaziergang mit dem Blick auf den glitzernden Attersee.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Ein ganzes Leben“ von Robert Seethaler.

Welche Persönlichkeit inspiriert Sie?
Da gibt es viele, aber den Managementguru Peter ­Drucker finde ich immer wieder inspirierend.

Gibt es ein Lebensmotto, das Sie verfolgen?
Behandle jeden so, wie du selbst behandelt werden möchtest.

Mit wem würden Sie gerne einen Tag lang tauschen?
Leider bin ich da etwas zu spät: aber mit der Heiligen Mutter Teresa.

Was war Ihr bisher größter Erfolg?
Schwer zu sagen – ich messe Erfolge nach ihrer nachhaltigen Wirkung für meine Organisation und meine Kunden, z. B. erfolgreiche Projekte, die für unsere Kunden wirklich Mehrwert bringen.

Was ist das Verrückteste, das Sie je in ihrem Leben getan haben?
Unvorbereitet und das mitten im Winter auf das Kitzsteinhorn zu klettern.

Worüber haben Sie zuletzt gelacht?
Soeben musste ich über ein sehr witziges E-Mail von einem Kollegen lachen – Humor sollte man immer haben.

Gibt es etwas, was Sie schon immer ausprobieren wollten, sich bisher aber nicht getraut haben?
Der tägliche Nervenkitzel ist in meiner Position ausreichend vorhanden.

Was motiviert Sie, tagtäglich aufzustehen?
Der morgendliche Spaziergang mit meinem Hund Tacko.

Wenn Sie ein Tier wären, welches wären Sie dann und warum?
Ein Hund bei der Familie Oppitz – denn da geht’s einem wirklich gut ...

ZUR PERSON
Aufstieg einer IBM-Pionierin
Internationalität war für die in Kalkutta/Indien geborene Diplomatentochter ­Tatjana Oppitz von Anfang an bezeichnend. Sie besuchte die Vienna International School sowie das Lycée Francais in Wien und studierte anschließend Handelswissenschaften an der WU Wien. Nach einigen Jahren Berufserfahrung bei einem amerikanischen Konzern begann Tatjana Oppitz 1989 ihre Karriere bei IBM. Nach fünfzehnjähriger Tätigkeit in der IBM Österreich begann 2003 ihre internationale Laufbahn, die sie in das IBM Headquarter nach Paris führte. Nach ihrer Rückkehr war sie als Executive international für den ­Vertrieb des gesamten IBM-Portfolios an Großkunden zuständig – bis Ende 2010 als Executive für den Vertrieb für die gesamte CEE-Region. Mit Beginn des Jahres 2011 übernahm Oppitz mit der Rolle als Generaldirektorin für Österreich einen Markt, den sie gut kennt.