„Skills will replace profession!“

NEW BUSINESS - NR. 1, FEBRUAR 2020
Andreas Lechner, Partner bei CNT Management Consulting AG © CNT Management Consulting AG

IT- & Managementexperte Andreas Lechner über den digitalen Wandel im Bildungsbereich, die stete Evolution der Berufsbilder und Lernbereitschaft als Killer-Feature am Arbeitsmarkt.

Herr Lechner, die Digitalisierung krempelt den Arbeitsmarkt um. Stimmen Sie dem zu? Wenn ja, inwiefern?
Durch die Digitalisierung werden in den Unternehmen tiefgreifende Veränderungsprozesse notwendig. Dadurch entstehen neue Berufsbilder bzw. verändern sich bestehende Berufsbilder stark. Diese neuen veränderten Berufsbilder gilt es auszufüllen, und das bringt sehr viel Dynamik in den Arbeitsmarkt.

Welche Auswirkungen zeigt der digitale Wandel im Bildungsbereich?
Da sehe ich Auswirkungen in zwei Dimensionen. Zum einen bedarf es einer soliden Digitalkompetenz, die in einem Atemzug mit Lesen, Schreiben und Rechnen genannt werden kann. Zum anderen braucht es ein Set an Fähigkeiten, um in der komplexer werdenden Arbeitswelt erfolgreich zu sein – Problemlösungskompetenz, analytisches Denken, Veränderungsbereitschaft und auch Resilienz, um nur einige wichtige zu nennen. Der Bildungsbereich hat somit neben dem fachspezifischen Wissen diese Kompetenzen und Fähigkeiten zu vermitteln und zu entwickeln.

Denken Sie, dass die österreichische Aus- und Weiterbildungslandschaft für die Herausforderungen der Digitalisierung gerüstet ist? Was gelingt gut, wo hapert es?
In der schulischen Ausbildung sehe ich großen Anpassungsbedarf, bei den Inhalten ebenso wie bei den benötigten Skills. Soziale und digitale Kompetenz, die Fähigkeit zur Kommunikation und zum vernetzten Denken werden entscheidend für den Erfolg sein, denn interdisziplinäres Arbeiten wird im künftigen Arbeitsleben zur Regel. Außerdem sollten Hochschulen und Unternehmen stärker kooperieren, damit Studierende an realen Problemstellungen arbeiten können. Auch in der Weiterbildung sehe ich die Unternehmen gefordert, ihre Mitarbeiter zu motivieren, bestehende Angebote zu nutzen, eine nachhaltige Lernkultur zu etablieren und das lebenslange Lernen zu einem wesentlichen Bestandteil des Jobs zu machen.

Brancheninsidern zufolge sind viele der Jobs, in denen wir in Zukunft arbeiten, noch gar nicht erfunden. Ist es dennoch möglich, sich auf eine derart ungewisse Zukunft vorzubereiten?
Den Spruch „Skills will replace Profession“ gibt es ja schon länger. Genau dort sind wir mittlerweile mit der Realität angekommen. Wer die richtigen Fähigkeiten mitbringt und sich auf lebenslanges Lernen einstellt, wird die genannten Herausforderungen meistern. Diese neuen Jobs tauchen ja auch nicht plötzlich auf, sondern entwickeln sich über eine Zeitspanne, die zum Lernen genutzt werden kann. So hat sich etwas aus dem klassischen Einzelhandelskaufmann der E-Commerce-Kaufmann entwickelt.

Welche Fähigkeiten und Qualifikationen sind Ihrer Erfahrung nach derzeit besonders gefragt? In welchen ­Bereichen sehen Sie den größten Aufholbedarf?
Generell sind es die schon oben erwähnten Zukunftskompetenzen, die in nahezu allen Berufsbildern gefragt sind. Hier sind die Schulen ebenso wie Hochschulen und Universitäten gefordert. Inhaltlich sehe ich gerade in unserem Umfeld – der IT und Datenanalyse – eine unglaubliche Nachfrage, die schon heute nicht mehr gedeckt werden kann. Dabei nimmt die Bedeutung von Daten und deren Verarbeitung weiter rasant zu, die weltweit größten Konzerne wie Amazon, Facebook, Google & Co. arbeiten mit datenbasierten Geschäftsmodellen. Eine zweite große Entwicklung ist die Alterung unserer Gesellschaft und der dadurch ausgelöste Boom bei den Pflegeberufen. Durch die Digitalisierung werden wir immer mehr Tätigkeiten, die früher von Spezialisten erledigt wurden, selbst übernehmen müssen.

Wie können Unternehmen bzw. Führungskräfte dazu beitragen, dass die Kompetenzen ihrer bestehenden und kommenden Mitarbeiter den Anforderungen der Zukunft entsprechen?
Die Digitalisierung macht Lernen zu einer Daueraufgabe. Daher braucht es auch eine nachhaltige Lernkultur in den Unternehmen, ausreichende Weiterbildungsangebote und die Bereitstellung der dafür notwendigen Zeit. Lernzeit ist auch Arbeitszeit und sollte nicht in die Freizeit ausgelagert werden. Wichtig ist ein Weiterbildungsklima, gelebte Fehlerkultur (nur aus Fehlern kann man lernen) und eine Infrastruktur, mit der vorhandenes Wissen der Organisation im Bedarfsfall schnell genutzt werden kann. Das muss von den Führungskräften auch vorgelebt werden.

Sind Sie der Meinung, dass der Ansatz der dualen bzw. trialen Ausbildung eine geeignete Waffe im Kampf gegen den derzeit vorherrschenden Fachkräftemangel darstellt?
Das geht in die richtige Richtung und hat sich mit den berufsbildenden höheren Schulen über Jahre bewährt. Hier werden somit nur konsequent weitere Schritte gesetzt, um auch für AHS-Absolventen in überschaubarer Zeit eine fundierte praktische Ausbildung zu ermöglichen. Die Anreicherung des dualen Angebots um soziale und digitale Kompetenzen zur trialen Ausbildung erhöht dessen Attraktivität und macht die Absolventen fit für ihre künftigen Aufgaben.

Ist die Idee vom perfekt ausgebildeten Mitarbeiter eine Utopie?
Nach meinem Verständnis gibt es den perfekt ausgebildeten Mitarbeiter nicht, da ständiges und lebenslanges Lernen ja notwendig ist. Für mich ist der perfekte Mitarbeiter jemand, der dies erkannt hat, Freude am Lernen findet und diese Herausforderung täglich annimmt und meistert.

Für welchen Bildungsweg haben Sie sich entschieden? Würden Sie dies aus heutiger Sicht genauso machen?
Ich bin nach einer klassischen HTL-Maschinenbauausbildung sehr schnell in die damals noch junge IT-Branche eingestiegen. Damit hat für mich das Lernen erst so richtig begonnen und über meinen doch schon lang dauernden beruflichen Weg auch nicht mehr aufgehört. Heute findet dieses Lernen sogar noch intensiver als je zuvor statt. Letztendlich sind es aber die über die Jahre erworbenen sozialen Fähigkeiten, die mir helfen, schwierige Situationen zu meistern. Deshalb würde ich auch heute wieder einen starken Fokus auf die Entwicklung der persönlichen Fähigkeiten legen. (BO)

ZUR PERSON
Andreas Lechner
Andreas Lechner ist Partner bei der CNT Management Consulting AG und verfügt über 25 Jahre Erfahrung in der IT-Beratung (Schwerpunkt SAP/ERP). Als Moderator und Business Coach hält er Seminare in der Führungskräfteentwicklung sowie im Selbstmanagement.
www.cnt-online.com