Und plötzlich war Home-Office

NEW BUSINESS Innovations - NR. 06, JULI/AUGUST 2020
Ein Land im Home-Office - Seit Corona spielt sich ein wesentlicher Teil des Geschäftsalltags in den eigenen vier Wänden ab. © Lum3n/Pexels

Bäm! Seit März ist alles anders. Wir haben Vertreter vier etablierter heimischer IKT-Unternehmen gebeten, mit uns ihre Eindrücke, Erfahrungen und Learnings in Sachen „Heimarbeit“ ...

... bei sich selbst und ihren Kunden zu teilen. 

Österreich ist nicht gerade als Vorzeigeland in Sachen Home-Office bekannt. Doch seit mehreren Monaten führt für unzählige Mitarbeiter hierzulande kein Weg daran vorbei, in der Früh den Arbeitsweg gar nicht erst anzutreten. Der allmorgendliche Verkehrsstau und dicht gedrängte „Happenings“ in den öffentlichen Verkehrsmitteln wurden abgesagt oder finden – gerade in Familien – in der eigenen Küche vor der Kaffeemaschine statt, Flurfunk und Kaffeeklatsch werden auf Videokonferenztools „umgeleitet“.
Das Schlagwort „Entschleunigung“ ist wieder aus der zwischenzeitlichen Versenkung aufgetaucht – und viele finden das gar nicht so schlecht. Laut einer Umfrage von StepStone Österreich fühlen sich mehr als die Hälfte der rund 1.700 im April befragten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Home-Office wohler als gedacht. Man könne Arbeit und Privatleben harmonischer abstimmen und mehr Arbeit bewältigen. Entsprechend würden zwei von drei Arbeitnehmern auch nach der Krise gern verstärkt im Home-Office arbeiten. Ihre Chancen darauf stehen sogar nicht schlecht, doch dazu später mehr.
Denn das ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite stehen die Arbeitgeber, die sich genötigt sahen, von einem Tag auf den anderen dem Großteil ihrer Mitarbeiter – und nicht nur einigen wenigen – die technischen Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, damit der Betrieb auch in dieser Ausnahmesituation weitergehen kann. NEW BUSINESS hat sich ein paar Unternehmen herausgepickt, die durch ihre ganz besondere Position als IKT-Anbieter bzw. -Dienstleister die dadurch entstandenen Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven beleuchten können. Sie haben nicht nur selbst ihre Home-Office-Strategien an die Geschehnisse angepasst, sondern außerdem auch ihren Kunden geholfen, die aufgetauchten Hürden zu meistern. Wir haben sie außerdem zu ihrer Einschätzung der Auswirkungen der Corona-Krise, die uns sicher noch lange begleiten werden, befragt.

Überrascht, aber vorbereitet
Die Unternehmen HATAHET productivity solutions, Huawei, Interxion und T-Systems haben selbstverständlich den Empfehlungen der Regierung Folge geleistet und ihre Mitarbeiter, soweit möglich, an ihre Heimarbeitsplätze geschickt. „Wir haben im Sinne der Gesundheit unserer Mitarbeiter, deren Familien und Angehörigen sowie unserer Kunden und Partner sofort am 10. März 2020 mit ersten internen Informationen sowie Maßnahmen zur Krisenbewältigung reagiert. Am 13. März war die gesamte HATAHET productivity solutions GmbH ausnahmslos im Home-Office tätig und alle Partner und Kunden wurden informiert. Termine und Organisatorisches haben wir seither ausnahmslos digital koordiniert und abgewickelt“, erzählt der Transformationsexperte Nahed Hatahet, CEO von HATAHET.
Die von uns befragten Firmen waren von den Ereignissen zwar möglicherweise überrascht, aber ganz sicher nicht unvorbereitet, wie beispielsweise Martin Madlo, Managing Director bei Interxion Österreich, berichtet: „Interxion Österreich war auf die Corona-Krise sehr gut vorbereitet, weil wir eine Pandemie in unserem Business-Continuity-Plan berücksichtigt haben. So konnten wir die betriebliche Integrität unserer Einrichtungen und ein hohes Maß an Kundenservice gewährleisten. Um die Personenanzahl auf unserem Campus so gering wie möglich zu halten, wurde eine Separierung der Operations-Teams vor Ort durchgeführt – KollegInnen, die nicht direkt im Datacenter-Betrieb arbeiteten, begaben sich ins Home-Office. Außerdem kommunizierten wir über mehrere Kanäle offen mit unseren Kunden und sorgten dafür, dass alle geltenden rechtlichen Vorschriften zum Gesundheitsschutz und die entsprechenden Hygienemaßnahmen auf dem Rechenzentrums-Campus eingehalten wurden.“
Auch bei T-Systems griffen die im Vorfeld erarbeiteten Business-Continuity-Management-Maßnahmen, Awareness- und Hygiene-Kampagnen wurden schon Anfang März gestartet. „Per 12. März 2020 wurde der Großteil unserer MitarbeiterInnen vorsorglich ins Home-Office entsendet. Bereits in den Wochen davor wurden Reisebeschränkungen eingeführt, sowie mögliche Risikofälle, wie RückkehrerInnen aus Risikoländern und MitarbeiterInnen mit Kontakt zu infizierten Personen, vorsorglich separiert und ins Home-Office gesendet“, so Peter Lenz, Region Manager T-Systems Alpine.
Home-Office ist natürlich nur eine Facette des Maßnahmenspektrums, das von den heimischen Unternehmen getroffen wurde. „Seit Beginn der Epidemie hat Huawei eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, wie z. B. die Verteilung antiepidemischer Mittel auf dem Campus, einen Gesundheits-Check-in für die Mitarbeiter und die Beschaffung von antiepidemischen Materialien, um die Sicherheit der Mitarbeiter zu gewährleisten. Ich kann mit Stolz sagen, dass alle Mitarbeiter von Huawei Aus­tria sehr gesund sind, von zu Hause arbeiten und weiterhin für unsere Kunden und Partner da sind“, sagt etwa Jackie Zhang, seit Anfang des Jahres CEO von Huawei Technologies Austria, und ergänzt: „Huawei konnte auch medizinische Hilfsgüter wie Masken an Dutzende von Ländern spenden. In Österreich haben wir 150.000 Masken, 70.000 Handschuhe und 3.000 Schutzbrillen gespendet.“ Die Huawei-Mitarbeiter haben High-End-Laptops erhalten und wurden mittels verschiedener Collaboration-Tools miteinander verbunden. Außerdem steht ihnen auch zu Hause 24/7 der hauseigene IT-Helpdesk zur Verfügung. Doch das ist noch nicht alles, wie Jackie Zhang erklärt: „Wir haben auch eine sehr große Anzahl von Instant-Nudelsuppen und Snacks für unsere Mitarbeiter gekauft, für den Fall, dass sie für eine Weile im Büro arbeiten wollen, da vor Mitte Mai keine Restaurants oder Kantinen zur Verfügung standen.“
Es sind eben nicht nur die technischen Aspekte, die in so einer Lage zählen, wie auch Peter Lenz zu berichten weiß: „Neben den bekannten Maßnahmen wie Home-Office und Desinfektionsspender im Büro haben wir Mitarbeitern, die Kinder haben, Sonderurlaub angeboten. Außerdem haben wir zeitnah mit der internen Kommunikation begonnen. Über unsere Mitarbeiter-App wurde ein eigenes Forum errichtet, in dem jeder seine Fragen stellen konnte, die zeitnah beantwortet wurden. So konnten wir gewährleisten, dass keine falschen Informationen unter den über 1.200 Mitarbeitern grassieren und Fragen offen blieben. Das hat unseren Mitarbeitern sehr viel Sicherheit gegeben.“ Kommunikation wurde bei T-Systems überhaupt großgeschrieben: „Wir kommunizieren als Geschäftsführung sehr häufig mit allen unseren Mitarbeitern in Österreich und der Schweiz direkt in All-Employee-Telefonkonferenzen, zu denen wir zu Beginn der Corona-Krise zweimal wöchentlich eingeladen haben – derzeit haben wir diese Informationen auf alle zwei Wochen reduziert.“

Stolpersteine und Impact auf das Business
Bei so einer Hauruck-Aktion, wie sie im März notwendig geworden ist, kann nicht alles zu hundert Prozent glatt laufen. Wo waren die größten Schwierigkeiten? „Die größten Stolpersteine waren oft ganz einfach praktische Herausforderungen, wie beispielsweise das Fehlen von großen oder mehreren Bildschirmen oder passende Büromöbel wie Bürosessel im Home-Office. Herausforderungen waren neben dem Fehlen der sozia­len Kontakte mit den Kolleginnen und Kollegen auch das Finden eines geregelten Tagesablaufs, die vielen Telcos und E-Mails sowie Kinderbetreuung, Home-Office und Haushalt unter einen Hut zu bekommen“, plaudert Lenz aus dem Nähkästchen. Auf die soziale Komponente bezieht sich auch Jackie Zhang bei dieser Frage: „Ich würde es vielleicht nicht Hindernisse nennen, aber obwohl wir mit allen Kolleginnen und Kollegen über ein Mobiltelefon oder ein Fernkonferenz-Tool kommunizieren können, ist es immer noch nicht so bequem, wie es bei einem persönlichen Gespräch wäre.“
Gerade zu Beginn des Lockdowns musste vielerorts auch erst eine gewisse „Schockstarre“ überwunden werden. „Es war vor allem am Anfang von COVID-19 eine große Herausforderung, denn viele unserer Kunden und Partner haben in den ersten zwei Wochen Projekte gestoppt bzw. auch einfach nicht mehr bestellt. Ich selbst als CEO war schockiert und sozusagen gelähmt – auch wir haben die Möglichkeit von Kurzarbeit zur Kompensation dieser besonderen Situation in Anspruch genommen. Die Phase der Lähmung haben wir aber zur Besinnung genutzt, und nach zwei Wochen ging das Business ‚step by step‘ wieder los“, so Nahed Hatahet. Doch seit Juli ist Kurzarbeit bei HATAHET Geschichte und der Markt nimmt das Angebot des Unternehmens wieder mit offenen Armen auf: „Unsere Vision eines Digital Workplace für Menschen, die von überall arbeiten wollen, wurde mit COVID-19 nun zu etwas, dass jeder benötigt und haben wollte – und wir haben die Lösung und Services dafür. Wir haben in unserer Branche mit unserem Thema einfach ein verdammtes Glück gehabt und unsere Umsätze stimmen.“
Auch Interxion bietet Services an, die in dieser Zeit besonders gefragt waren. „Vor allem zu Beginn des Lockdowns hatten wir einen Anstieg der Nachfrage bezüglich erweiterter Konnektivität und Bandbreite, da unsere Kunden verstärkt auf digitale Kommunikation gesetzt haben. Mangelnde Performance und Connectivity stellen für Unternehmen eine große Herausforderung dar. Denn wenn MitarbeiterInnen nicht über die erforderliche Connectivity verfügen, um ihre Arbeit effektiv und effizient zu erledigen, leidet letzten Endes der Erfolg des Unternehmens. Damit wir die Bedürfnisse unserer Kunden auch unter diesen schwierigen Umständen auf höchstem Niveau weiter erfüllen konnten, haben wir die Personenanzahl auf unserem Campus so gering wie möglich gehalten. In dieser Zeit haben unsere Kunden verstärkt auf Interxions ‚Hands & Eyes‘-Supportleistungen gesetzt und so ihre eigenen Angestellten vor potenziellen Ansteckungen geschützt“, berichtet Martin Madlo.

Schwappt die Home-Office-Welle zurück?
Wie eingangs bereits erwähnt, hatte Home-Office in Österreichs Unternehmenslandschaft bisher keinen allzu sicheren Stand. Werden die in der Krise gezwungenermaßen gemachten Erfahrungen daran etwas ändern? Oder schwappt die Welle wieder zurück zum „business as usual“? Huawei-Austria-Chef Zhang meint: „Es ist sehr wahrscheinlich, dass österreichische Unternehmen nach der Krise mehr Home-Office zulassen werden. Wir selbst werden definitiv die Reisetätigkeit reduzieren und stattdessen mehr Remote-Konferenzen abhalten.“
Für Nahed Hatahet wiederum ist es unmöglich, „hier mit einem klaren Ja oder Nein zu antworten“. Zwar hätten einige Unternehmen jetzt gesehen, dass die Arbeit auch getan wird, wenn die Mitarbeiter nicht im Büro, sondern daheim vor den Rechnern sitzen. Auf der anderen Seite hätten auch viele Mitarbeiter negative Erfahrungen gemacht: „Familien mit Kindern haben erfahren, wie mühsam es sein kann, wenn man Remote Calls hat, die Kinder das nicht verstehen und der Mann oder die Frau ebenfalls im Home-Office ist – ich glaube, da herrschte teilweise echtes Chaos. Ich ziehe meinen imaginären Hut vor allen Müttern und Vätern mit Kindern, die diese Zeit trotzdem gut gemeistert haben – mit allen Schwierigkeiten und Herausforderungen. Wir sind diesen Familien als Gesellschaft zu großem Dank verpflichtet – in diesen Familien steckt unsere Zukunft.“ Er selbst ist allerdings ein Verfechter des Home-Office: „Prinzipiell glaube ich, dass Home-Office eine gute Alternative zum Büro und auch nachhaltig ist – wenn man etwa bedenkt, wie viele ­Menschen täglich mit dem Auto in die Arbeit fahren, viel Zeit verlieren und zugleich unsere Umwelt schädigen. ­Unternehmer werden daher nun einen guten Mix an Home-Office-Möglichkeiten anbieten und COVID-19 hat hier den sprichwörtlichen Stein ins Rollen gebracht, was ich persönlich sehr gut finde.
Peter Lenz schlägt in fast die gleiche Kerbe: „Viele Unternehmen werden Home-Office in ihr Arbeitsmodell übernehmen und die Vorteile weiterhin nutzen. Und viele Unternehmer, vor allem jene, die dem Thema eher skeptisch gegenüber gestanden sind, sehen auch, dass die nun getätigten Investitionen in die eigene IT sich mehr als bezahlt machen. MitarbeiterInnen sind nun oft nicht nur zufriedener, sondern vor allem auch produktiver – von den Fahrzeiten und der Schonung der Umwelt mal ganz abgesehen.“ Er ortet daraus resultierend noch weitere mögliche Auswirkungen: „Wir werden soziale Kontakte und Reisen mehr zu schätzen wissen. Gleichzeitig werden wir uns fragen müssen, ob wirklich jede Geschäftsreise notwendig ist oder ob ein Onlinemeeting nicht effizienter ist. Es wird wohl nach der Krise zu einer kurzen nostalgischen Rückkehr zum Alten kommen, aber mittel- bis langfristig wird die durchgängige Digitalisierung in den Mittelpunkt rücken.“
Auch Martin Madlo sieht die in Schwung gekommene Home-Office-Welle weiterrollen: „Ich ­glaube, dass die Krise die Art, wie wir arbeiten, nachhaltig verändern wird. Das sehe ich nicht nur bei uns im Unternehmen, sondern bei allen Kunden, mit denen ich spreche. Alle diskutieren intensiv über Remote Work und den verstärkten Einsatz von elektronischer Kommunikation. Dieser Transformationsprozess wird also von Dauer sein.“
Ein schönes Schlusswort, ohne Technologie-, dafür mit umso mehr Human-Bezug, lieferte uns Huawei-Austria-CEO Zhang: „Das Virus erinnert uns erneut daran, dass wir in einer Welt leben, in der unsere Schicksale miteinander verbunden sind. Angesichts der gemeinsamen Herausforderungen sollten wir zusammenarbeiten. Das Virus kennt keine nationalen Grenzen und unterscheidet nicht zwischen Rasse, ­Hautfarbe und Wohlstand.“ Dem möchten wir nichts hinzufügen. Außer vielleicht, dass dieser Artikel zu weiten Teilen im Home-Office entstanden ist. Aber eben nicht ganz. (RNF)