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NEW BUSINESS Guides - BILDUNGS- & KARRIERE-GUIDE 2020
Egal ob Krise oder nicht – etwas für die eigene Bildung zu tun, hat noch nie geschadet! © Hermann Traub/Pixabay

Höherqualifizierung ist immer eine gute Idee. In die Phase drei der Corona-Kurzarbeit wurde nun eine „verpflichtende Weiterbildungsbereitschaft“ aufgenommen. Wir haben uns zu diesem Thema umgehört.

In Österreich waren auf dem bisherigen Höhepunkt der Krise mehr als 1,2 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Glücklicherweise ist dieser Wert in der Zwischenzeit deutlich zurückgegangen, aber der Bedarf bei Unternehmen ist weiterhin hoch. Mit 1. Oktober tritt nun Phase drei der Kurzarbeit in Kraft, die vorerst einmal für sechs Monate angelegt ist. Neben anderen Änderungen, wie beispielsweise einer Anhebung der Mindestarbeitszeit auf 30 statt zuvor zehn Prozent, wurde auch der Forderung von Wirtschaftsseite nach einer Weiterbildungspflicht – zumindest bedingt – nachgekommen. In die Regelung geschafft hat es immerhin eine „verpflichtende Weiterbildungsbereitschaft“ in der vom Arbeitsmarktservice (AMS) vergüteten Ausfallszeit.
Laut Informationen der Wirtschaftskammer Österreich wird die Weiterbildung durch das AMS gemeinsam mit dem Betrieb abgewickelt und kann jederzeit beginnen. Die Weiterbildungsmaßnahmen können bei Bedarf des Unternehmens unterbrochen und innerhalb von 18 Monaten nachgeholt werden. Arbeits­ministerin Christine Aschbacher zufolge geht es hier beispielsweise um „Upskilling“ im Bereich der Digitalisierung oder um interne Transformationsprozesse. Wo es geht, soll das innerbetrieblich umgesetzt werden, es gäbe aber auch die Möglichkeit, die Angebote des AMS zu nutzen, so die Arbeitsministerin in einem Fernsehinterview vom 29. Juli.

Gute Idee – oder nicht?!
Es klingt ja auch für alle Beteiligten nach einer guten Idee, die so frei gewordene Zeit in die eigene Bildung bzw. die Höherqualifizierung seiner Mitarbeiter zu investieren. Möglichkeiten dazu gab es auch schon vor Corona. „Bis Ende Feber 2020 gab es ein Förderungsinstrument des Arbeitsmarktservice, bei dem die Kurzarbeit mit Qualifizierung kombiniert werden konnte. So gab es für die Zeiten der Qualifizierung statt des Kurzarbeitsgelds eine Qualifizierungsunterstützung für die Personen, die dies in Anspruch genommen haben, und diese Qualifizierungsunterstützung wurde vom AMS über eine Qualifizierungsbeihilfe gefördert. Auch übernahm das AMS 60 Prozent der Kosten der Qualifizierung. Voraussetzung war, dass es sich um ‚überbetrieblich verwertbare Qualifizierungsmaß­nahmen‘ gehandelt hat“, erläuterte Marius Wilk, Leiter des Büros des Vorstands des Ar­beits­markt­service Österreich, auf Anfrage von NEW BUSINESS. In Anspruch genommen wurde dieses Instrument Wilk zufolge jedoch nur in Einzelfällen und von nur wenigen Personen in den letzten zehn Jahren. Zahlen des AMS zufolge waren es knapp 3.200 genehmigte Förderungen für Einzelpersonen in Kurzarbeit seit 2010 bis zur Außerkraftsetzung der alten Bestimmungen im Zuge der generellen Umstellung der Kurzarbeit wegen Corona.

Freizeit oder Arbeitszeit?
Wie die neue Regelung von Phase drei im Wortlaut genau aussehen wird, ist noch nicht bekannt, der rechtlich bindende Text wurde noch nicht veröffentlicht. Generell galt bisher die durch Kurzarbeit beim Arbeitnehmer frei werdende Zeit als Freizeit, und in seiner Freizeit kann der Arbeitnehmer grundsätzlich nur mit seiner Zustimmung zu etwas verpflichtet werden. Stimmt er etwa zu, in seiner freien Zeit einen Fortbildungskurs zu besuchen, den ihm sein Arbeitgeber anbietet, zählt das wiederum als Arbeitszeit, die vom Arbeitgeber zu vergüten ist. Über die konkrete Formulierung der neuen Regelung und wie diese mit dem geltenden Arbeitsrecht in Einklang gebracht werden wird, kann zum bisherigen Zeitpunkt, Ende August, nur spekuliert werden. „Hier ist offenbar vorgesehen, dass diese Weiterbildungsmaßnahmen nicht als Arbeitszeit zählen. Es ist also keine Freizeit, aber auch keine vom Arbeitgeber zu vergütende Arbeitszeit“, so Stefan Kühteubl, Leiter der Arbeitsrechtpraxis der Schönherr Rechtsanwälte GmbH, gegenüber NEW BUSINESS. Kühteubl weiter: „Man muss sich ansehen, wie das wirklich ausformuliert wird. Es gibt aber noch keine konkreten Richtlinien, die veröffentlicht worden sind.“ Zum Thema der Weiterbildung in der Kurzarbeit sind bei dem anerkannten Arbeitsrechtsexperten Kühteubl keine Anfragen seiner Klienten eingegangen, zur Kurzarbeit an sich vor allem in der ersten Phase in sehr massiven Ausmaß. In letzter Zeit häufen sich Fragestellungen im Zusammenhang mit Homeoffice und mobilem Arbeiten. Während Corona wurde in diesem Zusammenhang rasch gehandelt, „jetzt versuchen HR-Abteilungen, das aufzuarbeiten und klare Regeln zu schaffen“, so der Jurist.

Stimmen aus den Unternehmen
Auch unter den von NEW BUSINESS befragten Unternehmen war kaum eines dabei, das schon in einer früheren Phase konkrete Projekte in dieser Richtung durchgeführt hat oder plant, diese in Phase drei der Kurzarbeit durchzuführen. Obwohl die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter für die Betriebe generell ein wichtiges Thema ist, in das viel Energie gesteckt wird. Viele der Unternehmen, die auf unsere Anfragen geantwortet haben, haben die Kurzarbeit entweder schon zum Großteil oder völlig beendet bzw. überhaupt nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
„Wir als BMD waren in der glücklichen Lage, dass nur ein sehr geringer Teil unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit gegangen ist. In Phase drei werden wir aller Voraussicht nach niemanden mehr in Kurzarbeit haben“, teilte uns zum Beispiel Dr. Markus Knasmüller, Geschäftsführer der BMD SYSTEMHAUS GesmbH, mit. Daraus resultierend seien keine besonderen Qualifizierungsmaßnahmen in Kurzarbeit geplant, auch wenn Knasmüller der Idee durchaus etwas abgewinnen kann: „Ich finde es grundsätzlich gut, Kurzarbeit ist ja kein ‚Urlaub‘, es ist derzeit nur in einigen Betrieben zu wenig Arbeit vorhanden. Die Zeit als Weiterbildung zu nutzen, ist ausgesprochen sinnvoll.“ Der BMD-Geschäftsführer sprach außerdem noch einen zentralen Punkt an: „Weiterbildung ist ausgesprochen wichtig. Man sollte generell nie aufhören zu lernen. Und so ehrlich muss man sein: Bei denen, die auch in Phase drei noch in Kurzarbeit sind, kann man wohl davon ausgehen, dass die Auswirkungen sehr stark sein werden. Ob der Arbeitsplatz danach wirklich in unveränderter Form wieder vorhanden sein wird, ist wohl kaum sicher. Allein schon der lange Zeitraum und die wohl völlig veränderten Rahmenbedingungen werden da für gewisse Änderungen sorgen.“
Der IT-Dienstleistungsanbieter T-Systems setzt generell auf Weiterbildung und hat das Thema auch während der letzten Monate intern weitergetrieben. „T-Systems hat bereits Ende Juni die Kurzarbeit beendet. Während dieser Phase haben wir allen unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern virtuell Weiterbildungsmaß­nah­men angeboten, die sehr gut funktioniert haben und die auch sehr gut angenommen wurden. Wir werden – wie vor Corona – natürlich auch weiterhin Qualifizierungsmaßnahmen anbieten. Als Digitalisierungsdienstleister sehen wir ­Informationstechnologie als People-Business. So hat auch die Weiterbildung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter größte Bedeutung. Gerade die Vermittlung der Kompetenzen im Umgang mit virtuellen Tools und Instrumenten sehen wir als essenziell an. Die Welt dreht sich ja weiter, und wenn wir die Zukunft gestalten wollen, müssen wir bereit dazu sein“, so Hans-Jürg Schürch, Director Human Resources Region Alpine, T-Systems Austria & Switzerland.
Markus Neumayr, Geschäftsführer der Ram­sauer & Stürmer Software GmbH, spricht vielen Firmen aus der Seele: „Die erste Phase der Kurzarbeit ging zu einem großen Teil mit dem Lockdown einher. Die abrupte Umstellung und Neuorganisation des Alltags unserer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit Homeoffice und Homeschooling war auch ohne zusätzliche Weiterbildungsmaßnahmen sehr fordernd. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die bereits vor dem Lockdown in einer Fortbildung waren, haben diese aber in der Regel weiterbesucht, sofern dies online angeboten wurde.“ Spezielle Maßnahmen sind bei dem Unternehmen aus Salzburg auch künftig nicht geplant. „Unabhängig von der Kurzarbeit besteht für unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen das ganze Jahr über die Möglichkeit, an externen Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Zusätzlich bieten wir in den einzelnen Abteilungen regelmäßig interne Schulungen an. Finden solche Kurse statt, erwarten wir natürlich, dass das Angebot wahrgenommen wird – unabhängig von individuellen (Kurz-)Arbeitszeiten“, so Neumayr.
Auch das Unternehmen Nagarro setzt schon seit geraumer Zeit auf die Weiterbildung seiner Mitarbeiter. „Als IT- und Innovationberater ist Nagarro schon seit Jahren mit dem Thema Weiterbildung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen befasst, weil am Markt zu wenig Spezialisten für den wachsenden Digitalisierungsbedarf vorhanden sind. Wir haben interne Curricula mit rund 25 Modulen entwickelt, in denen wir die Mitarbeiter in Testautomatisierung, Testing und Softwareentwicklung ausbilden. Jetzt ist das Programm vorübergehend ‚on hold‘. Unsere Branche ist mit einer guten Auslastung gesegnet, und es gibt andere Herausforderungen wie die Entwicklung von Online- und Remote-Formaten. Ich kann resümieren, dass der Aufwand für ein solches Programm enorm ist, da man nicht nur theoretische Trainingsinhalte, sondern auch passende praktische Übungen braucht. Darin liegt gleichzeitig die Qualität der Ausbildung direkt im Unternehmen“, erklärte Paul Haberfellner, Managing Director von Nagarro Österreich, auf Anfrage von NEW BUSINESS. Aktuell hat das Unternehmen keine Mitarbeiter in Kurzarbeit und plant daher selbstverständlich auch keine Qualifizierungsmaßnahmen im Rahmen der Phase-drei-Regelungen, doch auch Haberfellner wäre der Idee gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen. „Wäre der Anlass gegeben, sähe ich Potenzial für Qualifizierungen und auch für Zertifizierungen. Die Nachfrage nach Software- und IT-Spezialisten ist steigend, wie es um die Absolventen aus den Bildungseinrichtungen weltweit steht, kaum abschätzbar. Daher müssen und werden wir hier auch weiterhin investieren und Weiterbildungen intern durchführen. Das ist eine Investition, die direkt in der Praxis anwendbar ist.“

Und die Aussichten?
Marius Wilk vom AMS kam zum Abschluss unserer Bitte nach einer Prognose für die kommende Regelung nach. „Ob eine neue Form der Kombination von Kurzarbeit und Qualifizierung breitere Resonanz finden kann, wird nicht nur von der konkreten Ausgestaltung der Maßnahme abhängen, sondern vor allem von der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Greifen kann ein derartiges Instrument insbesondere dann, wenn es vorübergehende wirtschaftliche Einbrüche in Branchen oder Betrieben gibt, in denen gleichzeitig größere qualifikatorische Umbrüche notwendig sind. Dann kann die Kurzarbeit auch für die notwendige qualifikatorische Weiterbildung genutzt werden. Erfolgt die Kurzarbeit ‚nur‘ wegen vorübergehender Umsatzeinbußen, ohne dass größere Strukturänderungen der Branche notwendig sind, wird auch die Qualifizierung während der Kurzarbeit weiterhin nur in geringem Umfang ein interessantes Instrument sein“, so der Leiter des Büros des Vorstands des AMS Österreich.
Für den Einzelnen gibt es jedoch weiterhin Alternativen, bei denen man selbst am Ruder steht und seinen Bildungskurs bestimmen kann: So steht es jedem Menschen natürlich frei, sich in seiner Freizeit so weiterzubilden, wie es einem beliebt, und es gibt auch noch die Möglichkeit der selbst gewählten Bildungs­karenz. Denn egal ob Krise oder nicht – etwas für die eigene Bildung zu tun, hat noch nie geschadet! (RNF)