Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia hat sich nicht genug Aktien für die Übernahme der Deutschen Wohnen sichern können. Auch im zweiten Anlauf ist damit die Fusion der Immobilienkonzerne gescheitert. Vonovia sicherte sich nach Mitteilung vom Montag weniger als die nötigen 50 Prozent der Deutsche-Wohnen-Anteile. Bereits am Freitag hatte Vonovia bekanntgegeben, dass die Mindestannahmeschwelle voraussichtlich nicht erreicht wird.

Vonovia konnte sich nur 47,62 Prozent des Grundkapitals und der Stimmrechte des Branchenzweiten Deutsche Wohnen sichern. Vonovia hatte einen Mindestanteil von 50 Prozent als Bedingung in das Übernahmeangebot geschrieben. Diese Vollzugsbedingung sei "endgültig ausgefallen", heißt es in der Mitteilung vom Montag. Acht Millionen der 343 Millionen im Umlauf befindlichen Deutsche-Wohnen-Aktien fehlten dem Bieter Vonovia am Ende. Die eingereichten Deutsche-Wohnen-Aktien würden zurückgebucht.

Vonovia wollte mit der rund 18 Mrd. Euro schweren Übernahme der Deutschen Wohnen aus Berlin Europas größten Immobilienkonzern mit rund 550.000 Wohnungen bilden. In Österreich gehören die Buwog und conwert zu Vonovia. Vorstand und Aufsichtsrat der Deutsche Wohnen hatten den Aktionärinnen und Aktionären empfohlen, das Übernahmeangebot anzunehmen. Die notwendigen Investitionen in bezahlbares Wohnen, Klimaschutz und Neubau ließen sich nach einem Zusammenschluss gemeinsam besser schultern.

Vonovia-Chef Rolf Buch hatte am Freitag, als sich das Scheitern der Übernahme abzeichnete, erklärt, der Konzern werde die möglichen Optionen prüfen, "wie zum Beispiel einen Verkauf der derzeit von Vonovia gehaltenen Aktien an der Deutsche Wohnen, ein erneutes öffentliches Angebot oder den Erwerb weiterer Aktien".

Bereits 2016 war Vonovia mit einem Übernahmeversuch bei Deutsche Wohnen gescheitert. Auch damals wurde die Mindestannahmequote für das Milliarden-Offert nicht erreicht. Im Gegensatz zum neuen Offert hatte der Vorstand der Deutsche Wohnen das Angebot als feindlich eingestuft und sich heftig gegen den Plan gewehrt. Nun warben beide Unternehmen gemeinsam für die Annahme des Angebots.

Das deutsche Bundeskartellamt hatte bereits im Juni grünes Licht für den Zusammenschluss der beiden größten deutschen Wohnimmobilienkonzerne gegeben. Die gemeinsamen Marktanteile der Unternehmen rechtfertigten keine wettbewerbsrechtliche Untersagung, hatten die Wettbewerbshüter mitgeteilt. Sie verwiesen dabei auf das Beispiel Berlin, wo von den knapp 1,7 Millionen Mietwohnungen in der Stadt rund 150.000 auf die Deutsche Wohnen und Vonovia entfielen.

Aktionäre setzen auf einen neuen Anlauf des größeren Rivalen Vonovia. "Es ist klar, dass dafür eine neue und höhere Offerte vorgelegt werden müsste", schrieb Berenberg-Analyst Kai Klose am Montag in einem Kommentar. "Vonovia sollte es noch einmal versuchen." Er hob das Kursziel für Deutsche Wohnen von 52 auf 55 Euro an und empfahl die Aktie zum Kauf. An der Börse kletterten die Papiere um 1,3 Prozent auf 51,80 Euro und blieben damit knapp unter den 52 Euro, die Vonovia - vergeblich - geboten hatte.

"Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Es da wieder herauszuholen, wird teuer und kompliziert", sagte ein beteiligter Banker. Für einen neuen Anlauf bräuchte Vonovia-Chef Buch, um schnell reagieren zu können, die Zustimmung des Deutsche-Wohnen-Vorstands um Michael Zahn und jene der deutschen Finanzaufsicht BaFin - sonst zwingt ihn das Übernahmegesetz (WpÜG), zwölf Monate zu warten. Die Vonovia-Aktie sackte zu Wochenbeginn um 3 Prozent ab. Die Anteilseigner fürchten, dass Buch beim dritten Anlauf mehr Geld für Deutsche Wohnen auf den Tisch legen muss. "Die Hedgefonds sitzen jetzt am längeren Hebel", sagte ein beteiligter Banker.

Die beiden größten deutschen Wohnungskonzerne Vonovia und Deutsche Wohnen wollen ihre Fusionspläne jedenfalls auch nach dem Scheitern des zweiten Versuchs Insidern zufolge noch nicht begraben. Der Bochumer Branchenführer Vonovia könnte innerhalb von wenigen Wochen einen neuen Anlauf starten, sagten zwei mit den Plänen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. "Beide Vorstandschefs wollen die Übernahme noch immer und suchen eine Lösung", sagte eine davon. "Die Deutsche Wohnen will diesen Deal - aber dann muss es auch sicher klappen", sagte ein zweiter Insider. Analysten und Investmentbanker glauben, dass Vonovia-Chef Rolf Buch dann etwas mehr bieten müsse als bisher, um sicherzugehen. Auch die Aufsichtsräte müssten nochmals eingebunden werden.

Vonovia ist mit fast 18,4 Prozent der Anteile größter Aktionär von Deutsche Wohnen. In Händen der Spekulanten sind nach Schätzungen von Bankern rund ein Drittel der Deutsche-Wohnen-Papiere. Buch hatte ihnen vorgeworfen, sie hätten zu hoch spekuliert, indem sie nur einen Teil ihrer Aktien angedient hätten. "Viele wussten, dass sie den Deal über die Schwelle tragen müssen, wollten aber gleichzeitig möglichst viel in der Hinterhand halten, weil sie hofften, dass es später irgendwann noch ein besseres Angebot gibt."

Hedgefonds waren massiv bei Deutsche Wohnen eingestiegen und hatten darauf spekuliert, dass sie bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag später eine höhere Abfindung geboten bekämen als die 52 Euro, für die sie die Aktien jetzt an Vonovia abgeben konnten.

Vertreter von Hedgefonds kritisierten, Vonovia habe sie in Sicherheit gewiegt, dass die benötigten 50 Prozent ohnehin erreicht würden. "Man war sich offenbar zu sicher", kommentierte ein Insider den Misserfolg, der sich seit Freitag abgezeichnet hatte. Passiven Indexfonds, die etwa den deutschen Leitindex DAX abbilden, waren weitgehend die Hände gebunden. Sie dürfen ihre Aktien erst abgeben, wenn die Übernahme in trockenen Tüchern ist. Sie halten laut Buch 20 Prozent an Deutsche Wohnen. "Jeder, mit dem ich gesprochen habe, ist davon ausgegangen, dass der Deal durchgeht", zeigte sich auch der Vonovia überrascht vom Scheitern.

Aber auch aktive Fonds zeigten Vonovia die kalte Schulter. Portfoliomanager Michael Muders sagte der "WirtschaftsWoche", er habe die Aktien von Union Investment angesichts der gebotenen 52 Euro nicht angedient: "Das halte ich für deutlich zu niedrig und daher absolut inakzeptabel." Die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken hält mehr als zwei Prozent an der Deutschen Wohnen.

Deutsche Wohnen hielt sich zu den Informationen bedeckt. Vonovia verwies auf Buchs Äußerungen vom Freitag: "Es ist alles möglich. Wir können nichts tun, wir können kaufen, wir können verkaufen. Aber jetzt müssen wir eine saubere Analyse machen, wie es weitergeht", hatte er zu Reuters gesagt. Vonovia ist mit 18,4 Prozent der Anteile größter Aktionär von Deutsche Wohnen. Das Aktienpaket ist rund 3,4 Mrd. Euro wert. Die Vonovia-Aktie sackte um zwei Prozent ab. Würde Buch das Paket verkaufen, drohten ihm Kursverluste. Stockt er dagegen weiter auf, würde beim Überschreiten der 30-Prozent-Schwelle ein Pflichtangebot an die übrigen Aktionäre fällig. Das würde aber voraussichtlich viel teurer, weil die Aktienkäufe am Markt nicht unbemerkt bleiben dürften.

(APA)