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Ralf Mittermayr, Hans Roth, Alfred Riedl, Maria Zesch, Haymo Schöner (v.li.n.re.) © RNF

Smarte Projekte, die schon bald großräumig ausgerollt werden könnten, werden für große Fortschritte in der Recyclingwirtschaft sorgen.

Unter dem Motto "Smartes Niederösterreich: Die Zukunft der digitalen Recyclingwirtschaft beginnt hier" wurde kürzlich ins ehrwürdige Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse geladen. Die Saubermacher Dienstleistungs AG und ihre Partner präsentierten innovative Projekte, mit denen sich die Müllberge reduzieren, die Mülltrennung verbessern und somit die Umwelt und das Klima schützen lassen.

"Wir haben uns mit dem Thema Digitalisierung in der Abfallwirtschaft beschäftigt und haben Lösungen gefunden, die es weltweit in dieser Art noch nicht gibt. Wir wollen beweisen, dass wir Abfall mit Digitalisierung verringern können", so Hans Roth, Unternehmensgründer von Saubermacher in seinen einleitenden Worten.

Wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit für das Unternehmen ist, belegen nicht nur die Authentizität, mit der Unternehmensgründer Roth über das Thema spricht, sondern auch unabhängige Rankings. So erreichte Saubermacher 2019 im zweiten Jahr in Folge den 1. Platz in der Umweltbranche in der Nachhaltigkeitsbewertung von GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark) mit einem weit über dem Durchschnitt liegenden Score. "Sogar unsere Mülltonnen werden wieder recycelt", gab Roth einen weiteren Einblick.

Bedarfsgerechte Entleerung
Doch zurück zu den aktuellen Projekten. Den Anfang machte die "intelligente Glassammelplattform", die gemeinsam mit der Austria Glas Recycling GmbH (AGR) und dem Gemeindeverband Horn für Abfallwirtschaft und Abgaben (GVA Horn) sowie Digitalisierungspartner Magenta Telekom realisiert wurde. Im Zuge dessen wurde schon vor einigen Wochen ein großflächiger Test für die bedarfsgerechte Entleerung von Glasbehältern im Bezirk Horn gestartet. Dazu werden verschiedene Daten, beispielsweise der Behälterfüllstand, die maximale LKW-Nutzlast oder Kalenderdaten, miteinander vernetzt, um automatisiert einen dynamischen Tourenplan zu erstellen. „Ziel ist die optimierte Glassammlung unter Berücksichtigung der Bürgerzufriedenheit bei gleichzeitiger ökologischer und ökonomischer Effizienzsteigerung im gesamten Bezirk Horn“, informierte Haymo Schöner, Prokurist bei AGR. Behälter, die ausgeleert werden wenn sie voll sind – nicht halbleer oder überfüllt –, sparen überflüssige Fahrten und damit Zeit, Geld, Lärm und CO2.

Technologische Basis des Projekts ist das Sensormodul ANDI (Akronym für Automatisch, Nachhaltig, Digital & Innovativ), das in Kooperation mit dem steirischen Startup SLOC speziell für die Anforderungen der Glascontainer entwickelt wurde. Mittels Ultraschall misst der Sensor den Füllstand der Behälter und meldet diesen täglich an die Saubermacher-Plattform. Außerdem erkennt er, wenn er bewegt wird, kennt seine Position via GPS und hat für künftige Anwendungen sogar einen Temperaturfühler an Bord.

Die Datenübertragung erfolgt über die Funktechnologie NarrowBand IoT (NB-IoT) von Magenta, die speziell für solche Anwendungen entwickelt wurde und mittlerweile österreichweit verfügbar ist. Sie erlaubt den Betrieb mit besonders energiesparenden Sendern bzw. Devices und reicht auch vergleichsweise weit in Gebäude bzw. andere abschottende Strukturen hinein. Optimal zum Beispiel für unterirdische Müllräume. Es wurden rund 600 Sensoren in ca. 300 Behältern verbaut.

Das Projekt läuft noch bis März 2020. „Die Initiative ist einzigartig in Österreich und auch europaweit eine Pionierleistung im eher ländlich strukturierten Raum“, betonte Ralf Mittermayr, Vorsitzender des Vorstands bei Saubermacher. „Im neuen Jahr soll die Plattform marktreif sein“, so Mittermayr weiter.

KI für Bewusstseinsbildung
Das nächste Projekt hat sowohl eine technologische, als auch eine psychologische Komponente. Mit insgesamt rund 180 Haushalten in den Gemeinden Judenau-Baumgarten, Sieghartskirchen und Wolfsgraben testet Saubermacher gemeinsam mit dem Gemeindeverband für Abfallbeseitigung in der Region Tulln (GVA Tulln) in einem Großprojekt die Auswirkungen von Direkt-Feedback auf das Mülltrennverhalten der Bürger. Ziel ist die Erhöhung der Recyclingquoten durch die richtige Mülltrennung, die Reduktion der Restmüllmenge und damit einhergehend eine Senkung der Entsorgungskosten. „Die positiven Projekterfolge in der Steiermark haben mich veranlasst, die Technologie auszuprobieren“, nahm Alfred Riedl, Präsident des Österreichischen Gemeindebundes und Präsident des Niederösterreichischen Gemeindebundes, Bezug auf ein vor etwas mehr als einem Jahr gestartetes "Smart Village"-Projekt. „Wir alle sind gefordert, die Zielerreichung des EU-Kreislaufwirtschaftspaketes zu unterstützen und unsere Umwelt zu schützen. Daher liegt mir diese Initiative besonders am Herzen“, so Riedl weiter. Dieses Projekt läuft noch bis Juni 2020.

Dreh- und Angelpunkt dieses Projekts ist der sogenannte Wertstoffscanner, der direkt im Müllsammel-Fahrzeug die Zusammensetzung des Abfalls analysiert. Der Scanner wurde von Saubermacher gemeinsam mit der TU Graz und Joanneum Research entwickelt. Mittels Sensoren und Multispektralkameras erkennt der Scanner zum Beispiel, ob sich Glas oder Kunststoffe im Restmüll befinden.

Direktes Feedback
Entscheidender Vorteil: Die BürgerInnen erhalten per SMS oder über eine App eine direkte Rückmeldung über ihre Trennqualität. „Die direkte Rückmeldung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, weil umweltfreundliches Verhalten unmittelbar belohnt und positiv verstärkt wird. Das Konzept ist weltweit einzigartig“, erklärt Saubermacher-CEO Ralf Mittermayr.

Erstmals erhalten auch Mehrparteienhäuser Rückmeldung über ihr Trennverhalten. Als Informationsquelle dient ein „Schwarzes Brett“, das von Magenta Telekom entwickelt wurde und hier mit Saubermacher das erste Mal eingesetzt wird. „Mit dem digitalen Schwarzen Brett zeigen wir, dass wir ein verlässlicher Digitalisierungspartner für Gemeinden und Unternehmen sind. Gemeinsam entwickeln wir digitale Prozesse, insbesondere im Bereich des Internets der Dinge, mit dem ganze Wertschöpfungsketten optimiert werden. Das digitale Schwarze Brett ermöglicht Hausverwaltungen, öffentlichen Einrichtungen und BürgerInnen den einfachen Einstieg in das digitale Leben und Wohnen“, freute sich Maria Zesch, CCO Business & Digitalization von Magenta Telekom.

Weniger Fehlwürfe
Auch wenn der Löwenanteil der Österreicher die Mülltrennung als ihren wichtigsten persönlichen Beitrag zum Umweltschutz sieht, ist man vom perfekt getrennten Müll noch weit entfernt: Weiterhin landen allein in der Restmülltonne rund 70 Prozent falsche Abfälle. Die Hälfte davon sind Wertstoffe, die folglich nicht mehr recycelt werden können. Bei kleineren Pilotprojekten in der Steiermark konnte der Anteil an Fehlwürfen im Restmüll halbiert werden, d.h. es landeten nur noch halb so viel Altpapier, Kunststoffe, Metalle oder Bioabfälle in der schwarzen Tonne. „Die EU-Kreislaufwirtschaftsziele geben vor, dass Österreich insgesamt ca. 500.000 Tonnen mehr Abfälle recyceln muss. Würde man den Wertstoffscanner flächendeckend einsetzen, hätte man die Hälfte dieses Ziels schon erreicht“, so Saubermacher-Gründer Hans Roth und weiter: „Wir stimmen uns gerade mit weiteren Kommunen ab, in welcher größeren Region wir unsere Systeme ab 2020 einsetzen werden.“

Mittermayr zufolge sollen der Wertstoffscanner bzw. das ganze System ab Mitte 2020 serienreif sein. Aber die Entwicklung geht weiter. Mittermayr: "Als Nächstes kommt der Bioabfall an die Reihe, weil dort immer noch viel Kunststoff landet. Der Mensch kann bioabbaubaren Kunststoff nicht von abbaubarem Kunststoff unterscheiden – die Technologie kann das schon."